Immer wieder wird behauptet, die Schweiz müsse unbedingt
der EU beitreten, weil unsere jungen Leute sonst von Studien- und Arbeitsplätzen
in EU-Ländern weitgehend ausgeschlossen seien. Die Wirklichkeit,
sowohl bei den Studenten als auch bei den Stagiaires, sieht anders aus.
Viele junge Schweizerinnen und Schweizer zieht es vor allem nach England
und in die USA. Das hat mit der Sprache zu tun, aber auch mit der Tatsache,
dass insbesondere in den USA die moderne Technologie, die Computerwissenschaften
etc. auf einem besonders hohen Stand sind. Die Welt hört für
junge Schweizer nicht in Brüssel auf!
Studenten-Austauschprogramme sogar ausgebaut
Die EU führt seit den Achtzigerjahren verschiedene Zusammenarbeits-
und Austauschprogramme im Bildungs- und Berufsbildungsbereich durch. Zunächst
waren es vor allem die Programme "Erasmus" (Hochschulzusammenarbeit
und Studentenmobilität) und "Comett" (Zusammenarbeit zwischen
Hochschulen und Wirtschaft auf dem Gebiet der Technologie).
Nachdem verschiedene Programme ausgelaufen sind, ist heute vor allem
das "Sokrates"-Programm aktuell. Es beinhaltet die allgemeine
Bildung sowie den Bereich "Erasmus". Bei den wichtigsten Programmen
hat sich auch die Schweiz beteiligt. Ob die vollumfängliche Beteiligung
der Schweiz an diesen EU-Programmen, wie dies der Bundesrat anstrebt,
derart wesentlich ist, ist allerdings umstritten.
1995 wurde das Erasmus-Programm von "Sokrates" abgelöst.
Damit die Schweiz weiterhin mitmachen konnte, (die EU-Programme sind nicht
Gegenstand der bilateralen Verträge) hat der Bund mit der EU Übergangsmassnahmen
getroffen. In Form einer "stillen Partnerschaft" wird die Zusammenarbeit
mit der Schweiz jetzt weitergeführt, und sie wird sogar ausgebaut.
Es sind pro Jahr je etwa 1'000 Studentinnen und Studenten aus der Schweiz
und der EU, welche gegenseitig einige Monate an Hochschulen in der Schweiz
und in der EU studieren. Im Studienjahr 1995/96 waren es 1048 Schweizer
und 924 EU-Ausländer; 1996/97 waren es 1023 bzw. 873 und 1997/98
1142 bzw. 1083 Austauschstudenten, d.h. von den rund 93'000 Studierenden
an Schweizer Hochschulen rund 1 Prozent.
Nachteile für Schweizer Austauschstudenten wegen unserer Nichtmitgliedschaft
bei der EU gibt es nicht. Der Austausch erfolgt nicht auf staatlicher
Ebene, sondern aufgrund von Vereinbarungen zwischen einzelnen Hochschulen
und Fakultäten. Zudem werden die vorhandenen Kontingente oft nicht
ausgeschöpft.
Studium grundsätzlich möglich
Ähnlich ist die Situation bei Schweizer Studenten, die ein ganzes
Studium oder grosse Teile davon an einer Hochschule in der EU absolvieren
wollen. Nachteile wegen der Nichtmitgliedschaft der Schweiz in der EU
gibt es nach Auskunft der schweizerischen Zentralstelle für Hochschulwesen
und der akademischen Studienberatung grundsätzlich nicht. Auch diese
Studienplätze werden in der Regel zwischen den Hochschulen und Fakultäten
direkt vereinbart.
Das Problem liegt bei vielen Hochschulen der EU eher darin, dass sie
Zulassungsbeschränkungen (Numerus clausus) eingeführt haben,
die aber auch gegenüber Studenten aus andern EU-Staaten gültig
sind. Sofern überhaupt Probleme auf staatlicher Ebene auftreten,
so betrifft dies in einigen wenigen Fällen am ehesten die Erteilung
der Aufenthaltsbewilligung für Studenten aus der Schweiz.
Nötigenfalls Druck machen
Die folgenden Zahlen zeigen jedoch, dass allfällige Schwierigkeiten
mit Verhandlungen und etwas Druck durchaus lösbar sind:
Studierende an Schweizer Hochschulen (Wintersemester 1997/98):
Total Studierende |
93'307 (100%) |
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Schweizer |
75'481 (80,8%) |
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Ausländer |
17'906 (19,2%) |
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Total ausländische Studenten |
17'906 (100%) |
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Davon aus der EU |
11'845 (66,2%) |
Schweizer Studierende an ausländischen Hochschulen:
Total (50 Länder) |
7'847 (100%) |
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Davon in der EU |
5'774 (73,6%) |
11'845 EU-Studenten an Schweizer Hochschulen stehen somit nur 5'774 Schweizer
Studenten in der EU gegenüber; das Verhältnis beträgt also
2:1! Falls für Schweizer Studenten tatsächlich Schwierigkeiten
in EU-Ländern bestehen oder aufgebaut werden sollten, so sind Verhandlungslösungen
aufgrund dieser Zahlenverhältnisse kein Problem! Die Schweiz hat
gegenüber der EU starke Trümpfe in der Hand.
Plätze für Stagiaires bei weitem nicht ausgeschöpft
Ein ähnliches Bild wie bei den Studenten zeigt sich auch bei den
Stagiaires, also jungen Leuten zwischen 18 und 30 Jahren, welche bis maximal
18 Monate im Ausland arbeiten, vor allem im Gastgewerbe, im Gesundheitswesen
und in Büroberufen. Vom Kontingent von 2'600 Plätzen, das Schweizer
Stagiaires in 14 EU-Ländern (ausser Griechenland) im Jahre 1997 zustand,
wurden lediglich 463 ausgeschöpft!
Das sind die Realitäten. Die Forderung nach einem EU-Beitritt wegen
angeblicher Nachteile für unsere jungen Leute lässt sich daraus
überhaupt nicht ableiten. Und wenn man noch die gewaltigen finanziellen
Belastungen eines Beitritts und den Verlust zentraler Volksrechte berücksichtigt,
so wird die Beitrittsforderung völlig absurd.
Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS, Eglisau
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