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Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Erdogan auf der Anklagebank?

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

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24.12.2019

Dass die 70-jährige Nato vor grossen Problemen steht, ist offensichtlich. Ihr grosses Verdienst unter Führung der USA bestand zweifellos darin, dass sie als Gegengewicht zum einstigen Warschauer Pakt die Welt dank dem "Gleichwicht des Schreckens" vor einem verheerenden Atomkrieg bewahrt hat. Auch in der heutigen "neuen Lage" muss sich die Nato zusammenraufen und weiterhin die militärische Garantin der freien westlichen Welt bleiben - wer denn sonst?

Nun gibt es unter den 29 Nato-Mitgliedern zum Teil sehr unterschiedliche Interessen. Vor allem der türkische Präsiden Erdogan ist für die Nato insbesondere wegen seines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Kurden in Nordsyrien auch für die Nato zur grossen Belastung geworden. Dass er dies unter dem Siegel "Kampf dem Terror" (für ihn sind alle Kurden Terroristen) und in Absprache mit Putin tut, dass Donald Trump gleichzeitig die amerikanischen Truppen abzieht und die Kurden damit verrät, stellt die geschwächte Nato vor eine schwierige Aufgabe.

Dabei besteht gerade gegenüber den Praktiken des autokratischen türkischen Präsidenten wenig Grund zur Zurückhaltung: Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff auf syrisches Gebiet und der Vertreibung hunderttausender Kurden hätte er bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1946/47 auf der Anklagebank gesessen. Denn bekanntlich wurden damals vier Hauptanklagepunkte formuliert: Neben den Tatbeständen "Verschwörung" (Plan zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden), "Kriegsverbrechen" (gegen feindliche Truppen und die Zivilbevölkerung) sowie "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" (systematische Ermordung, Ausrottung, Versklavung) gehörte dazu auch die Planung und Entfesselung eines Angriffskrieges. Warum also die feige Zurückhaltung gegenüber Erdogan?