Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der SVP

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Teil 6 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Nach der ausgezeichneten Wahl von Fraktionspräsident Hans Hofmann in den Regierungsrat am 5. April 1987 (er überrundet den in fast allen Medien hochgepriesenen SP-Konkurrenten Ledergerber um satte 16'000 Stimmen) wird Kantonsrat Ueli Maurer einstimmig zum neuen Fraktionspräsidenten gewählt. Maurer, schon in jungen Jahren Geschäftsführer der bedeutenden landwirtschaftlichen Genossenschaft Hinwil-Bauma, entwickelt sich in der Folge aufgrund seiner vielfältigen Fähigkeiten - insbesondere sieht er auch bei sogenannt "komplexen" Sachverhalten immer rasch das Wesentliche - zum politischen Senkrechtstarter mit den "Stationen" Kantonsratspräsident, Nationalrat, Präsident der SVP Schweiz, Bundesrat.

Ueli Maurer hat damit eine einstige "Negativ-Qualifikation" des (inzwischen leider verstorbenen) legendären Fraktions-Vizepräsidenten Carl Bertschinger klar widerlegt. Dazu ein kleines Stimmungsbild aus der Mitte der 80er Jahre: SVP-Fraktionssitzung im Zürcher "Königstuhl" unter der Leitung von Bertschinger. Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte sitzen an den langen Tischen - ganz hinten im Saal auch Ueli Maurer, damals mit jugendlichem Lockenkopf. Lässig lehnt er sich in seinem Stuhl nach hinten und scheint vom Tagesgeschehen eher etwas entrückt. Da flüstert mir Bertschinger zu: "Lueg emol de säb det hine, wie dä im Stuel ine hanget. Us däm wird sicher emal nüt." Mit Verlaub: "Dä säb det hine" ist immerhin Bundesrat geworden - und erst noch ein sehr guter.

Nach der Wahl Hans Hofmanns zum Regierungsrat taucht ein weiteres neues Gesicht am kantonalen Polit-Horizont auf: Ernst Stocker, Meisterlandwirt aus Wädenswil, rückt am 11. Mai 1987 für Hofmann in den Kantonsrat nach. Auch der talentierte Stocker steigt auf der politischen Stufenleiter rasch empor: Stadtpräsident von Wädenswil, Kantonsratspräsident und seit 2012 Zürcher Volkswirtschafts- und derzeit Finanzdirektor lauten (vorerst) seine Stationen. Man fragt sich, was wohl noch kommen mag …

*

Zurück ins Jahr 1987. Parteipräsident und Nationalrat Christoph Blocher schreibt am 29. Mai einen bemerkenswerten Artikel zum Thema "Die SVP in den Agglomerationen" im Parteiorgan "Der Zürcher Bote". "In den letzten 20 Jahren", so Blocher, "hat sich eine stille Wandlung in den Parteistrukturen und der Partei-Anhängerschaft vollzogen." Einerseits sei der Anteil der Bauern an unserer Wählerschaft gesunken, und anderseits sei die SP, einst die Partei der Arbeiter, zu einer eher akademisch-theoretischen Partei geworden. Zudem sei die soziale Frage (Schutz vor Krankheitsfolgen und Arbeitslosigkeit, Altervorsorg e etc.) weitgehend gelöst.

Das heisse für unsere Partei zweierlei: Erstens habe sie sich - nicht politisch aber bezüglich Wählerschichten und Themen - geöffnet. Zweitens: "Politisch schlecht vertreten sind in unserem Land bürgerlich denkende Arbeitnehmer - das ist ein Grossteil der Arbeiter und Angestellten." Dem heutigen "etwas elitären, stark theoretisch- dogmatischen, gesellschaftskritischen Kurs" der SP könne ein Grossteil dieser Arbeiterschaft nicht mehr folgen. Denn die SP-Politik in den Bereichen Ökologie, Landesverteidigung, Asylwesen laufe ihren Anliegen oft zuwider. Und auch anderswo, etwa in der Gesellschaftspolitik, deckten sich die Interessen der bürgerlich denkenden Arbeitnehmer mit jenen der Bauern, Gewerbler und Bürger. "Sie wissen auch, dass für die Zukunft nicht weitere Lohnabzüge und Arbeitszeitverkürzungen, Mitbestimmung, Feminismus und Internationalismus wichtig sind - sondern die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes und damit die Konkurrenzfähigkeit und Eigenständigkeit der schweizerischen Wirtschaft. Und sie wenden sich gegen zu viel staatliche Bürokratie und zu hohe Steuern." Diesen politisch entwurzelten Arbeitsnehmern - den neuen "Heimatlosen" - müsse sich die SVP als wahre Vertreterin der arbeitenden Bevölkerung vermehrt annehmen. Weil sie eine dem Volk verständliche Sprache spreche, werde sie verstanden - auch in den Städten und Agglomerationen! (Überflüssig zu sagen, dass sich diese Aussagen voll und ganz bewahrheitet haben. Und das "Reservoir bürgerliche Arbeitnehmer" ist zweifellos auch heute noch nicht ganz ausgeschöpft.)

*

Im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Herbst 1987 wollen die rot-grünen Kräfte (nach den Frühjahrserfolgen der Grünen) um jeden Preis einen "Umschwung" im Parlament und im Bundesrat herbeiführen. Darum gilt es, alles zu tun, um die bürgerliche Mehrheit sicherzustellen. Denn es steht ausser Frage, dass eine gute bürgerliche Politik die Garantin ist für Lebensqualität, für ein hohes Pro-Kopf-Einkommen, für Sicherheit und für ein Maximum an persönlichen Freiheitsrechte in unserem Land. (Das gilt auch heute mehr denn je).

Die SVP will deshalb ihr Wählerpotential voll ausnützen und zieht mit zwei Nationalratslisten mit insgesamt 70 Kandidatinnen und Kandidaten in den Kampf. Einerseits mit der Liste "Regionen Zürich, Winterthur- Weinland, Säuliamt und See" mit den Spitzenkandidaten Christoph Blocher, Rudolf Reichling, Willi Neuenschwander, Walter Frey, Hermann Weigold, Albert Keller und Toni Bortoluzzi. Und anderseits mit der Liste "Zürcher Oberland und Unterland", angeführt von Konrad Basler, Hans-Ulrich Graf, Fritz Hirt, Werner Peter, Ueli Maurer, Hansjörg Frei und Rudolf Bolliger. Die Werbung für zwei Listen bedingt allerdings entsprechend mehr Mittel, und man muss den Leuten das Wahlprozedere genau erklären, damit beide Listen angemessen gewichtet werden.

*

Ein harter Kampf zeichnet sich nach dem Rücktritt von Jakob Stucki um die beiden Zürcher Ständeratssitze ab, wo Christoph Blocher (neben dem bisherigen Freisinnigen Rico Jagmetti) gegen LdU -Nationalrätin und "Konsumentenschützerin" Monika Weber antritt. Die Kandidatur Blocher fährt den Linken offensichtlich in die Knochen: Das "Volksrecht" vom 9. Juli 1987 ist derart alarmiert, dass es den Kampfaufruf erlässt, es müssten alle Anstrengungen links der Mitte darauf ausgerichtet werden, die Wahl Blochers - des "selbsternannten Führers der gesamtschweizerischen Reaktion" - unter allen Umständen zu verhindern.

Am 11. August 1987 heben die über 350 SVP-Delegierten Christoph Blocher für die Ständeratswahl vom 18. Oktober ohne eine einzige Gegenstimme definitiv auf den Schild. Jakob Stucki, Präsident der Nominationskommission betont, der Wirtschaftskanton Zürich brauche mindestens einen Ständerat, der aus eigener Erfahrung heraus wirtschaftskundig sei. Zudem zeichne sich Blocher, "unser bestes Ross im Stall", durch enorme Standfestigkeit, Durchschlagskraft, Medienerfahrung und Zivilcourage aus, und er sei ein überzeugter Föderalist. "Wenn der bürgerliche Schulterschluss funktioniert, so kann Christoph Blocher frohgemut und zuversichtlich in den Wahlkampf ziehen", meinte Vizepräsident Hansjörg Frei.
(Fortsetzung folgt)

Hans Fehr