Nach 709 Jahren Eidgenossenschaft befindet sich unser Land
im internationalen Vergleich in einem beneidenswerten Zustand. Die Schweiz
zeichnet sich aus durch ein hohes Mass an Sicherheit, an Volkswohlstand,
an weltweit einzigartigen Volks- und Freiheitsrechten. Wir haben praktisch
keine Arbeitslosigkeit, ein hohes Lohnniveau und einen hohen Standard
an sozialer Sicherheit. Bei allen internationalen Untersuchungen über
die Wohlfahrt, die wirtschaftliche Leistungskraft und über die persönlichen
und politischen Freiheitsrechte befindet sich die Schweiz europa- und
weltweit in der Spitzengruppe. Wir haben gerade am Bundesfeiertag allen
Grund, für den insgesamt guten Zustand unseres Landes dankbar zu
sein.
Ausgerechnet die Fundamente für unsere gute Situation: die Unabhängigkeit,
die Selbstbestimmung, die immerwährende, bewaffnete Neutralität,
der Föderalismus, unsere ausgeprägten Volks- und Freiheitsrechte
- also die Staatssäulen und Besonderheiten unserer Eidgenossenschaft
- werden heute in Frage gestellt. Der Bundesrat, die Mehrheit des Parlaments
und der Parteien, ein Grossteil der Medien, sogenannte Kulturschaffende
und verwandte Kreise sind der schweizerischen Heimat, der scheinbaren
Enge des neutralen Kleinstaates, der sich jeglicher Machtpolitik enthält,
offenbar müde und überdrüssig geworden.
Sie verachten die politischen Besonderheiten unseres Landes und träumen
von internationalen Grossgebilden. Sie möchten auch "dabei sein"
an vermeintlich glanzvollen Konferenzen und auf internationalen Schauplätzen,
wo angeblich Geschichte und Zukunft geschrieben wird. Ihr höchstes
Ziel ist es, die "eigenbrötlerische, unsolidarische, hinterwäldlerische"
Schweiz endlich zu neuen "Visionen" zu führen und sie einzubinden
in die Grossgebilde der UNO, der EU und der NATO.
Die integrationsbegeisterten Kreise haben den Sonderfall
Schweiz und das Wesen der schweizerischen Neutralität nicht begriffen,
oder sie wollen es nicht begreifen.
Mit einer geballten Ladung von Abstimmungsvorlagen will man unsere Staatssäulen
schwächen und schliesslich niederreissen. Weil man in Bundesbern
aber weiss, dass ein EU-Beitritt im Volk derzeit keine Chancen hat, geht
man etappenweise vor:
- Zunächst soll die Schweiz mit der vorgezogenen Teilrevision des
Militärgesetzes und durch die militärische Kooperation in
NATO-Strukturen eingebunden werden. Durch Einsätze von Schweizer
Soldaten in ausländischen Konflikt- und Kampfgebieten und durch
ausländische Soldaten, die das Kriegshandwerk auch in der Schweiz
üben, soll die Schweizer Armee in verfassungs- und neutralitätswidriger
Weise NATO-unterstellungsfähig und NATO-unterstellungswillig gemacht
werden. Man verkennt, dass die Schweiz damit
ihr bewährtes und nach wie vor hochmodernes Erfolgsinstrument der
immerwährenden, bewaffneten Neutralität preisgibt und eine
200-jährige Friedenstradition über Bord wirft.
Wir würden in fremde Konflikte hineingezogen und zur Konfliktpartei
gestempelt. Das heisst für unser Land: weniger Sicherheit! Unser
aussenpolitisches Konzept auf dem Boden strikter, glaubwürdiger
Neutralität muss doch vernünftigerweise heissen: "Kriegsabenteuer
nein - humanitäre Hilfe ja!"
- Schon im Jahr 2002 werden Volk und Stände über den Beitritt
unseres Landes zur politischen UNO abzustimmen haben. Auch diese Vorlage
ist Teil der verfassungs und neutralitätswidrigen Aussenpolitik
des Bundesrates. Soll die Schweiz zum Werkzeug der Macht- und Interessenpolitik
des UNO-Sicherheitsrates degradiert werden? Es
braucht in Europa und weltweit wenigstens ein glaubwürdig neutrales
Land, das sich strikte aus internationalen Konflikten und Machtspielen
heraushält, seine Friedensdipomatie anbietet und unparteiisch humanitäre
Hilfe leistet, wo Not herrscht.
- Um die Schweiz schrittweise in die ihr wesensfremde Europäische
Union einzubinden, schreckt man in Bundesbern auch vor einem eigentlichen
Betrug am Volk nicht zurück: Kaum hatte das Volk den bilateralen
Verträgen mit der EU am 21.5. 2000 zugestimmt, wurde dies als Bekenntnis
zum EU-Beitritt umgedeutet. Der Aussenminister sprach beim EU-Beitritt
von einem "in Arbeit befindlichen Projekt" und die SP-Bundesrätin
forderte eine rasche Aktivierung des EU- Beitrittsgesuchs. Um die Initianten
der Volksinitiative "Ja zu Europa", welche unverzüglich
Beitrittsverhandlungen mit der EU verlangt, zum Rückzug dieser
aussichtslosen Initiative zu bewegen, wollen Linke und auch auch sogenannt
bürgerliche Kreise im Parlament einen Gegenvorschlag durchbringen,
der in die gleiche Richtung geht. Damit will man das "unbequeme"
Volk ausschalten.
Die zentrale Frage - auch mit Blick auf den 1. August 2000 - lautet:
Soll die Schweiz ihre Angelegenheiten weiterhin
selbst bestimmen in Freiheit und Unabhängigkeit, oder wollen wir
uns in fremde Grossmachtgebilde einbinden und unsere Staatssäulen
ganz oder teilweise preisgeben?
Der Boykott Österreichs durch die 14 EU-Regierungen wegen dessen
demokratischer Regierungsbildung müsste eigentlich Klarheit geschaffen
haben. Und ebenso müsste die "EU-Vision" des deutschen
Aussenministers Joschka Fischer sämtlichen Schweizern die Augen öffnen:
Fischers Vision einer europäischen Föderation mit einem Zweikammersystem,
einer Verfassung und einem direkt gewählten EU-Präsidenten,
die er als "Leuchtfeuer in der Dunkelheit" angepriesen hat,
wäre für uns Schweizer wohl weniger ein Leuchtfeuer als vielmehr
das Ende unserer Unabhängigkeit, und damit das Ende der souveränen
und neutralen Schweiz.
Alle freiheitsliebenden Bürgerinnen und Bürger unseres Landes
haben eine grosse und wichtige Aufgabe: Sie haben in nächster Zeit
mehrfach den Tatbeweis anzutreten, dass es ihnen ernst ist mit der Wahrung
unserer Unabhängigkeit und Neutralität.
In Anbetracht der Arglist unserer Zeit - nach 709
Jahren Eidgenossenschaft - soll der Bundesbrief von 1291 Richtschnur unseres
Handelns sein. Er ist auch heute hochaktuell: Wir dulden in unserem Land
keine fremden Herrscher und keine fremden Richter. Unser Land soll frei,
unabhängig, neutral und weltoffen bleiben!
Hans Fehr, Geschäftsführer AUNS, Eglisau
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