"Im Vorfeld der Abstimmung zur Armee XXI wurden der Bundesrat, das
Verteidigungsdepartement und die Parlamentsmehrheit nicht müde zu
betonen, die neue Armee sei die massgeschneiderte Antwort auf neue sicherheitspolitische
Herausforderungen, auf die Bestandesprobleme und auf die beschränkten
finanziellen Mittel. Ebenso wurde beteuert, der Kernauftrag gemäss
Artikel 58 der Bundesverfassung ("Die Armee dient der Kriegsverhinderung
und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land
und seine Bevölkerung") werde weiterhin erfüllt. Auch die
schweizerische Neutralität, die Milizarmee und die allgemeine Wehrpflicht
blieben mit der neuen Armee gewahrt. Diese Versprechungen sind nicht erfüllt.
Suche nach Aufträgen
Statt den Verfassungsauftrag zu erfüllen, sucht die Armeespitze nach
allen möglichen und unmöglichen Aufträgen, um die Existenz
der Armee zu "rechtfertigen". Soldaten werden zu Hilfs-Securitas
degradiert, indem sie sich vor ausländischen Botschaften die Beine
in den Bauch stehen müssen. Die Armee wird missbraucht für Sportanlässe,
Springkonkurrenzen, für Grossanlässe wie die expo 02, für
Festivitäten und dergleichen mehr. Auch die Luftwaffe "jagt
verzweifelt neue Engagements" (Weltwoche Nr. 28.04).
Die Suche nach Aufträgen und Rechtfertigungsgründen steht im
krassen Widerspruch zum Armeeleitbild XXI, das der Bundesrat am 21. Oktober
2001 verabschiedet hat: "Es besteht keine Gewissheit über längerfristige
politische und militärische Entwicklungen. Eine militärische
Bedrohung könnte wieder zunehmen und akut werden (...). Die Existenz
der Armee selbst leitet sich aus dieser verbleibenden Ungewissheit ab;
sie ist in ihrem Verteidigungsauftrag, in ihrer Kernkompetenz, auf diesen
Fall ausgerichtet. Es ist die Pflicht der verantwortlichen Behörden,
sich gedanklich mit dem Fall eines militärischen Angriffes auf die
Schweiz zu befassen, selbst wenn dies zurzeit hypothetisch ist."
Offenbar ist dieser klare Auftrag im VBS nach weniger als drei Jahren
schon wieder Makulatur!
Die Berufskader der Armee sind durch den vertragswidrigen Abbau von Lohnbestandteilen
und Leistungen frustriert und - insbesondere durch den dreimaligen Beginn
von Schulen und Kursen - überfordert. Viele Instruktoren haben gekündigt.
Die grossspurig angekündigte Ausbildung durch Profis in Schulen und
Lehrverbänden scheitert allein schon am fehlenden Personal.
Der Armeechef politisiert
Armeechef Keckeis, der die Armee XXI samt den dringend nötigen Korrekturen
umsetzen müsste, erfüllt seinen Auftrag nicht. Stattdessen lehnt
er sich seit seinem Amtsantritt politisch immer wieder weit aus dem Fenster.
Er verlautbart, die "Zeit der autonomen Verteidigung (sei) vorbei"
und bezeichnet sich als "Fan des europäischen Sicherheitsraums".
Er singt das Hohelied der NATO-Anpassung, der NATO-Kooperation und letztlich
der NATO-Unterstellung, was der schweizerischen Neutralität krass
widerspricht.
Herr Keckeis verfasst Planungen wie die "Kooperationsvorgaben des
Chefs der Armee (Zeitraum 2004-2011)". Daraus geht glasklar hervor,
dass die Schweizer Armee Richtung NATO- und EU-Armee geführt werden
soll. Die als neutralitätspolitisch unbedenklich gerühmte "NATO-Partnerschaft
für den Frieden" genügt Bundesbern nicht mehr. Hinter dem
Rücken des Volkes plant man längst die Einbindung der Schweiz
in die "Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik" (GASP) der
EU. Die schweizerische Unabhängigkeit und Neutralität wird damit
definitiv preisgegeben.
Auch Bundesräte machen bei der NATO-Anbiederung wacker mit. Bundespräsident
Deiss liess es sich nicht nehmen, sich beim NATO-Gipfel in Istanbul mit
den Grossen der Welt zu präsentieren. Am 5. Juli 2004 hat Herr Deiss
den NATO-Generalsekretär Joop de Haap Scheffer im "Salon du
Président" zu Bern empfangen, und auch Bundesrat Schmid und
Bundesrätin Calmy-Rey machten ihm im Landsitz Lohn bei Kehrsatz gleichentags
ihre Aufwartung.
Man jammert im VBS über fehlende Geldmittel und will mit dem Rüstungsprogramm
2004 gleichzeitig 109 Millionen Franken für Transportflugzeuge zugunsten
von neutralitätswidrigen Auslandeinsätzen zum Fenster hinauswerfen.
Ebenso verschlingt der unsinnige Swiss-coy-Einsatz im Kosovo jährlich
mindestens 50 Millionen Franken, sofern man eine Vollkostenrechnung macht.
Der Chef VBS verniedlicht
Bundesrat Schmid verniedlicht die schwerwiegenden Mängel beharrlich
als "Kinderkrankheiten". Oder er flüchtet sich in unproblematische
Anlässe, wo er keinen "militärischen Anfechtungen"
ausgesetzt ist: Gemäss offizieller "Agenda Bundesrat" redet
er beispielsweise am offiziellen Tag des 20. Schweizerischen Sportschützenfestes,
er nimmt am Eidgenössischen Veteranenschützenfest teil, er besucht
das Leichtathletik-Meeting in Zürich, er nimmt an einem Mittagessen
zu Ehren "100 Jahre FIFA/50 Jahre UEFA" teil, er besucht den
Schwägalp-Schwinget sowie das Musical Anatevka in Thun, und er besucht
während fast einer Woche die Olympischen Spiele in Athen.
Forderungen
Der Chef VBS muss endlich die nötigen Massnahmen treffen, damit die
Armee ihren Auftrag gemäss Verfassungsartikel 58 im Sinn der bewaffneten
Neutralität wieder erfüllen kann. Er hat dem Volk klaren Wein
einzuschenken und ein überzeugendes Konzept vorzulegen für eine
glaubwürdige Verteidigungs-, Schutz- und Milizarmee, die auch gegenüber
modernen "Verwundbarkeiten" eine einleuchtende Antwort gibt.
Nur so werden sich das Parlament und das Volk hinter die Schweizer Armee
stellen und auch die nötigen Mittel bewilligen.
Herr Bundesrat, übernehmen Sie die politische Führung und erfüllen
Sie den Verfassungsauftrag!
Nationalrat Hans Fehr, SVP/ZH
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