Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission
Meine Beiträge im Jahr 201625.11. 2016
November 2016. Am Spree-Ufer in der Nähe des Hauptbahnhofs Berlin hat sich ein Bettler postiert. Ich gebe ihm zwei Euro und sage wegen des gerade einsetzenden Regens: "Nicht gerade angenehm bei diesem Wetter." "Ja, ich mach auch gleich Feierabend", erwidert er. Auch ein Bettler hat hier Stil.
Berlin ist jederzeit eine Reise wert: Otto Schily, SP, ehemaliger Innenminister; Hans Fehr, ehemaliger Nationalrat, SVP, trafen sich zum Kaffee. (Bild zvg.)
Überhaupt: Berlin hat Stil. Fragt man nach dem richtigen Bus, der richtigen S- oder U-Bahn zur Museumsinsel, zum Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, zum DDR-Museum, zum Fernsehturm, zur Markthalle 9 oder wohin auch immer - ausnahmslos nehmen sich die Berliner, ob Jung oder Alt, Zeit und geben freundlich Auskunft. Sie sind stolz auf ihre Stadt, in der man als Besucher trotz den 3,5 Millionen Einwohnern den Eindruck hat, willkommen zu sein.
Szenenwechsel. Sommer 1948. Die Sowjets wollen sich auch Westberlin einverleiben und blockieren die Zufahrtswege zur Stadt. Der damalige Oberbürgermeister Ernst Reuter richtet am 9. September vor dem Reichstagsgebäude einen flammenden Appell vor 350'000 Berlinern an die Welt: "Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien. Schaut auf diese Stadt - und erkennt, dass ihr diese Stadt, dieses Volk, nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt." Die dramatischen Worte in höchster Not stossen auf Gehör. Die Westalliierten richten ihre legendäre Luftbrücke ein und versorgen Berlin während rund eines Jahres mit allen nötigen Gütern, bis Stalin die Blockade abbricht.
Die Bundesrepublik und Westberlin erleben fortan einen gewaltigen Aufschwung. Anders im Osten Deutschlands. Mit der Gründung der DDR 1949 wird der Sozialismus installiert, der bekanntlich nach 40 Jahren, am 9. November 1989, definitiv zusammenbricht. Denn das Propagandabild des "neuen sozialistischen Menschen" geht am wahren Wesen des Menschen vorbei.
Das DDR-Museum zeigt die 40-jährige Geschichte des Arbeiter- und Bauernstaates eindrücklich: vom Kindergarten bis zur Nationalen Volksarmee, von der Freikörperkultur an der Ostsee bis zum umfassenden Stasi- und Spitzelsystem, vom Trabi bis zur Volvo-Karosse des Staatsratsvorsitzenden Honecker. Etwas vom "Besten" an der ehemaligen DDR ist meines Erachtens die schöne Melodie der Nationalhymne. Dennoch konnten die Worte "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt, lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland einig Vaterland / Lasst uns pflügen, lasst uns bauen, lernt und schafft wie nie zuvor, und der eigenen Kraft vertrauend, steigt ein frei Geschlecht empor" den Zusammenbruch des realen Sozialismus nicht verhindern.
"Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!" Der damalige Appell hat auch heute, unter weniger dramatischen Bedingungen, seine Berechtigung. Berlin hat Stil und enorm viel zu bieten. Dazu drei Beispiele - mit einem Bezug zur Schweiz.
Schily bezeichnet sich als Freund der Schweiz. Die direkte Demokratie sei zweifellos ideal für unser Land mit seinen "überschaubaren Verhältnissen". Für die Bundesrepublik erachte er jedoch die repräsentative Demokratie als zweckmässiger; zudem gebe es politische Fragen, die man nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten könne.
Wie dem auch sei: Berlin ist jederzeit eine Reise wert.