Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 13 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Das Jahr 2000 steht ganz im Zeichen grundlegender innen- und aussenpolitischer Weichenstellungen.

Am 8. März läuft die Sammelfrist für die Uno-Beitrittsinitiative ab. In Bundesbern spielt sich in diesem Zusammenhang Unglaubliches ab: Nachdem der Bundesrat unter der Ägide von Aussenminister Josef Deiss (der „Mann ohne Schatten“) die Initiative „Für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)“ bei den Initianten richtiggehend „bestellt“ hatte, rennt er ihnen in seiner Beitrittsbegeisterung nun noch voran. Er macht die Initiative zu seiner eigenen, zur „Chefsache“ – ein bislang einmaliger Akt in der Geschichte unseres Bundesstaates.

Trotz massivster Unterstützung durch den Bundesrat, die Bundesverwaltung und fast alle Medien läuft die Unterschriftensammlung relativ schlecht. Das Versagen der Uno in verschiedenen Kriegs- und Konfliktgebieten und das Bewusstsein, dass eine in die politische Uno eingebundene Schweiz zum Werkzeug von Grossmachtinteressen (Sicherheitsrat) degradiert würde und Sanktionen mittragen müsste, hält viele Schweizer auf Distanz.

Umso mehr beschwören die Mitglieder der Landesregierung die „Notwendigkeit“ des Uno-Vollbeitritts. Am Dolder-Meeting vom 25. Januar 2000 in Zürich lässt sich Bundesrat Deiss zu folgender Aussage hinreissen: „Das Fehlen der Schweiz in der Uno ist nicht nur ein Anachronismus, sondern eine chronische Anomalie, und das Abseitsstehen der Schweiz zeugt von einem verschrobenen Exotentum gegenüber 99,9 Prozent der Weltbevölkerung.“ Und er appelliert an die 350 Anwesenden, die Initiative zu unterschreiben. Der Diplomat Emanuel Jenni, Leiter der Sektion Uno im Aussendepartement, ruft im Rahmen einer „privaten innerbetrieblichen Sammlung“ verwaltungsintern schriftlich dazu auf, die Initiative zu unterschreiben.

Selbstverständlich prangern wir von der Auns diese Machenschaften im Parlament und in der Öffentlichkeit aufs Schärfste an. Sogar die damals noch wenig profilierte „Weltwoche“ stellt fest: „Es zeugt, gelinde gesagt, von einem eigenartigen Demokratieverständnis, wenn in der Verwaltung „Politik“ gemacht wird. Dieser Tatbestand ist nicht akzeptabel, umso mehr als das Ganze im Widerspruch zu mehreren Volksentscheiden steht.“

Trotz eines äusserst intensiven Abstimmungskampfes wird der Beitritt zur politischen Uno am 3. März 2002 mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. Und heute steuern Bundesbern und weitere heimat- und neutralitätsmüde Parteien und Kreise mit allen Mitteln bekanntlich bereits den Sicherheitsrat an.

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Am 21. Mai 2000 folgt die Abstimmung über das bilaterale Vertragspaket Schweiz-EU (Bilaterale I). Weil der bevorstehende Referendumskampf gegen den Einsatz von Schweizer Soldaten im Ausland vor der Tür steht und bald auch die Uno-Abstimmung (s. oben) verzichtet der Auns-Vorstand nach intensiver Debatte auf eine Parolenfassung zu den Bilateralen I.

Wir begründen diesen Entscheid wie folgt: Die bilateralen Verträge bringen unserem Land neben unwesentlichen Vorteilen zwar grosse innenpolitische Nachteile. Unsere Unabhängigkeit und die Neutralität bleiben mit den Bilateralen I jedoch gewahrt. Die Auns muss sich auf ihren Kernauftrag – die Wahrung dieser Staatssäulen – konzentrieren. Das heisst: Keine Schweizer Soldaten im Ausland. Nein zum Beitritt zur politischen Uno. Nein zum EU-Beitritt!

Aufgrund des Antrags eines Auns-Mitglieds wird das Thema „Bilaterale Verträge“ dennoch an der Auns-Mitgliederversammlung behandelt. Der Antrag des Vorstandes überwiegt jedoch schliesslich mit grossem Mehr.

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Aufgrund der unseligen (Nato-) „Partnerschaft für den Frieden“ (1996) will der Bundesrat unbedingt Schweizer Soldaten zur sogenannten „Friedensförderung“ ins Ausland schicken, dies insbesondere in den durch das Dayton-Abkommen „befriedeten“ Kosovo. Statt unsere einzigartige Stellung als Neutraler für Gute Dienste, humanitäre Aufgaben und Friedensdiplomatie einzusetzen, will der Bundesrat auch „dabei sein, wo international ‚Frieden und Stabilität‘ verkündet und gefördert werden. Zum diesem Zweck will er das Militärgesetz ändern – mit den Vorlagen „Bewaffnung“ und „Ausbildungszusammenarbeit“.

Der legendäre Divisionär und begnadete Militärstratege Hans Bachofner (….) ehemals Kommandant der Zentralschulen und der Generalstabskurse sowie Stabschef für operative Schulung, kritisiert in der „Weltwoche“ vom 17.2.2000 den (un)sicherheitspolitischen Kurs des Bundesrates „Sicherheit durch Kooperation“ scharf und meint bezüglich dem Kosovo: „Im Kosovo fehlen Polizisten, nicht Soldaten und bewaffnete Dachdecker.“ Die Fixierung der schweizerischen Sicherheitspolitik auf Auslandeinsätze im Sog der Nato sei falsch. „Helm ab!“ müsse man rufen.

Die Bekämpfung der unsinnigen, neutralitätswidrigen Auslandeinsätze ist in den Jahren 2000/2001 eine Kernaufgabe der Auns. Wir lancieren das Referendum unter dem Titel „Keine Schweizer Soldaten im Ausland! Keine ausländischen Soldaten in der Schweiz!“  Wir organisieren Pressekonferenzen, eine grosse Zahl von öffentlichen Veranstaltungen, wir verfassen Argumentarien,  organisieren Plakataktionen, Standaktionen, Leserbriefkurse und dergleichen.

Unsere Argumentation lautet wie folgt: Bei der sogenannten Bewaffnungsvorlage geht es nicht darum, Schweizer Soldaten im Ausland zum Selbstschutz ein wenig zu bewaffnen. Es geht um die Teilnahme an ausländischen Konflikten und letztlich um die Nato-Einbindung und den Nato-Beitritt. Dieses gefährliche Spiel mit dem Krieg widerspricht unserer Neutralität. Wer zur Waffe greift, wird zwangsläufig zur Konfliktpartei.  Unsere Soldaten würden von Grossmachtinteressen geführte Marionetten. Der Schweizer Bürger ist zugleich Soldat in unserer Widerstandsarmee. Er muss bereit sein, im Notfall sein Leben einzusetzen für unser Land. Im Ausland hat er nichts verloren. Die Vorlage zur „Ausbildungszusammenarbeit“ soll den Weg bereiten, um unsere Armee „interoperabel“, also Nato-unterstellungsfähig zu machen. Beide Vorlagen müssen abgelehnt werden, um einen Irrweg in unserer Sicherheitspolitik zu verhindern.

Leider wird die Änderung des Militärgesetzes am 10. Juni 2001 dennoch mit 51 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. Und der Irrweg wird in der Folge bekanntlich weitergeführt bis hin zur aktuellen „weiterentwickelten Armee“ (WEA), die ihren Verfassungsauftrag nicht mehr erfüllen kann.

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr