Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 3 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Das Jahr 1998 ist für die Schweiz ein dreifaches Jubiläumsjahr: 1648 (also  vor 350 Jahren) hat sich die Schweiz vom Deutschen Reich losgelöst – das heisst: 350 Jahre formelle schweizerische Souveränität und Unabhängigkeit. 1798, vor 200 Jahren, brachte die Helvetik Freiheit und Gleichheit für alle Bürger. Und 1848, also vor 150 Jahren, wurde bekanntlich unser Bundesstaat gegründet.

1648 erreichte der Basler Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein – nach mühsamsten Verhandlungen und unzähligen Einzelgesprächen – durch seine diplomatische Mission bei Verkündung des Westfälischen Friedens die europäische Anerkennung der schweizerischen Souveränität. So konnte 1648 alle Welt lesen: „Es ist reichs- und weltkundig, dass die Eidgenossenschaft ein freier Stand ist, so neben Gott einzig von sich selbst abhängt.“

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Auns-Präsident Christoph Blocher weist an der Mitgliederversammlung vom 9. Mai 1998 auf diese Tatsache hin und stellt die Frage bzw. Anklage in den Raum: „Ist es etwa ein Zufall, dass Bundesrat und Parlament das Jahr 1648 nicht feiern wollen? Will das offizielle Bern 350 Jahre Loslösung vom Reich, 350 Jahre staatliche Souveränität und 350 Jahre kaiserlose Zeit nicht feiern?  Hat man in Bundesbern Angst, ausländische Staaten würden uns die Souveränität übel  nehmen? Schämen sich Bundesrat und Parlament der Souveränität der Schweiz?“ Und Blocher fügt an: „Vielleicht müssen wir froh sein, dass das offizielle Bundesbern zu diesem Jubiläum schweigt. Sonst müssten wir am Ende noch erleben, dass man sich gegenüber dem Ausland für diesen „ungeheuerlichen“ Akt entschuldigt.“

Christoph Blocher hat zuvor mit scharfen Worten den „Widerspruch und die Konzeptlosigkeit“ angeprangert, mit der Bundesrat, das Parlament und fast alle Parteien zum Schaden der Schweiz agierten. Obwohl Volk und Stände sich mit den EWR-Nein am 6. Dezember 1992 eindeutig für die Unabhängigkeit und Neutralität unseres Landes entschieden hätten, handle die offizielle Schweiz im gegenteiligen Sinn: „Mitten in den bilateralen Verhandlungen, welche unsere Interessen und die Unabhängigkeit wahren sollen, erklärte der Bundesrat, das Ziel sei der EU-Beitritt – also nicht mehr die Unabhängigkeit des Landes.“

Der für die bilateralen Verhandlungen zuständige Aussenminister (und Bundespräsident) Flavio Cotti werde nicht müde, EU-Beitrittsvorträge zu halten und falsche Signale auszusenden. „Wie kann man bilaterale Verhandlungen führen, wenn man im Grunde das Gegenteil will?“ Auch die FDP, die CVP und die SP spielten ein doppelzüngiges Spiel. Weil die politische „Elite“ den Volksauftrag vom 6. Dezember 1992 nicht ernst nehme, habe dies schwerwiegende Folgen – weit über die EU hinaus. “Wen wundert es da, dass unser Land den unverschämten, unbegründeten erpresserischen Forderungen  amerikanischer Kreise so schwach und unbestimmt entgegentritt?“

In einer solchen Zeit trage die Auns eine grosse Verantwortung: „Wir müssen für die höchsten Staatsgüter – die Unabhängigkeit und die Neutralität – kämpfen. Wir müssen dabei leider auch gegen die Obrigkeit antreten, die gemäss Verfassung die Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Sicherheit des Landes  zu schützen hätte und einen Eid darauf geschworen hat! “

Blocher schliesst seinen eindrücklichen Appell mit den Worten: Noch nie in diesem Jahrhundert sind Unabhängigkeit, Neutralität und Selbstbestimmung der Schweiz stärker bedroht worden als in diesen Jahren – und zwar von innen, von Seiten der Regierung und des Parlaments.

Dieser Appell ist leider auch heute – in Anbetracht des sogenannten Rahmenvertrags – hochaktuell. Auf die offensichtliche Taktik des Bundesrates und gleichgesinnter Kreise, von Brüssel lediglich „Präzisierungen“ in einigen eher zweitrangigen Bereichen zu erreichen – obwohl es um Sein oder Nichtsein unserer Selbstbestimmung geht – kann es nur eine Antwort geben: Entweder bleibt unsere Souveränität gewahrt, oder der unselige Vertrag gehört in den Abfallkübel! Eine Regierung, die gegen die Interessen des eigenen Landes handelt, ist nicht tragbar und muss ausgewechselt werden.

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Auch als Auns-Geschäftsführer stehe ich natürlich weiterhin mit mindestens einem Bein mitten im Kampf für die Anliegen der SVP, die ja im Bereich der Unabhängigkeit und der Neutralität die gleichen sind und oft von den gleichen „Frontkämpfern“ vertreten werden. So erfüllt es auch mich mit grosser Genugtuung, dass am 7. Juni 1998 der  hochgeschätzte Zürcher Regierungsrat Hans Hofmann aus Horgen – zugleich ein überzeugtes Auns-Mitglied – in einer Ständerats-Ersatzwahl gegen die SP-Nationalrätin Regine Aeppli obsiegt und für die Zürcher SVP den 1987 verlorenen Sitz „zurückholt“.

Das hervorragende Resultat Hofmanns hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens besitzt er auf allen politischen Ebenen und auch in beruflicher und sportlicher Hinsicht einen eindrücklichen Leistungsausweis: Buchdrucker, Druckereileiter bei Nestlé in der Westschweiz, Schulpfleger, Schulpräsident, Wasserballtrainer, Treuhänder, Teilhaber eines Treuhandbüros, Kantonsrat, Fraktionspräsident und (während fast 12 Jahren) Regierungsrat, wo er vor allem zusammen mit Jakob Stucki, Alfred Gilgen und in seinen letzten Amtsjahren auch mit Rita Fuhrer ein starkes Team bildet, das in der Regierung massgeblichen Einfluss hat.

Exkurs: Alfred Gilgen, wie er leibt(e)  und lebt(e)

Regierungssitzung des Standes Zürich, im Jahre 1990. Regierungspräsident Alfred Gilgen nimmt vorne Platz. Der Weibel platziert die umfangreichen Akten neben ihm. Dann beginnt das übliche Ritual: Gilgen nimmt gemächlich eine Zigarillo aus der Packung, zieht vorsichtig den Kiel heraus, zündet die Zigarillo an, lehnt sich zurück und nimmt genüsslich ein paar Züge. Dann begrüsst er die Kolleginnen und Kollegen und meint mit bedeutungsvoller Miene, er müsse leider noch eine äusserst unangenehme Vorbemerkung machen: „In der Baudirektion gibt es ein grosses Problem. Leider ein sehr ernsthaftes Problem, ein wirklich schwerwiegendes Problem.“ Pause. Die Spannung  steigt. Hans Hofmann, der Baudirektor, fragt schliesslich beunruhigt, worum es denn gehe. Wiederum nach einer bedeutsamen Pause meint Gilgen: „Der Baudirektor ist im Tagesanzeiger gelobt worden.“

Aufgrund seiner Kompetenz, seiner vielfältigen Kontakte zu allen Volksschichten, seiner menschlichen Qualitäten und seines Verhandlungsgeschicks wird ihm  staatsmännisches Format attestiert. Und der zweite Grund für den Erfolg: Die bürgerliche Zusammenarbeit mit der FDP und der CVP hat funktioniert.

Letzteres müssten sich die Exponenten der heutigen FDP und CVP (bzw. der „Mitte“) endlich hinter die Ohren schreiben: Zumindest bei Majorzwahlen (Regierungsrat, Ständerat) und bei Abstimmungen, bei denen es um die Staatssäulen der Schweiz geht, müsste eine bessere bürgerliche Zusammenarbeit selbstverständlich sein – sonst gewinnt regelmässig Rot-Grün. Allerdings sind solche Einsichten jenen pseudo-bürgerlichen Parteien, die immer mehr nach links gerückt sind, schwierig zu vermitteln … Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr