Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 30 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Gegen Ende 2004 (bis Mitte 2005) konzentriert sich  der Kampf der Auns voll auf „Schengen“. Denn es ist nun klar, dass die Abstimmung über dieses folgenschwere Vertragswerk, das uns insbesondere im Bereich Sicherheit/Grenzkontrolle eng an die EU bindet, am 5. Juni 2005 stattfinden wird.

Es geht damals (und auch heute) um nicht weniger als um die Grundsatzfrage: Gehen wir den Weg der Freiheit, der Unabhängigkeit und der Selbstbestimmung? Oder lassen wir uns über das Schengener „Europa ohne Grenzen“ in die EU treiben – unter Preisgabe von Sicherheit, Freiheit und Wohlstand? Folgerichtig heisst unser „Marschbefehl“: Auf gegen Schengen!

Um Zeit zu gewinnen, jagt der Bundesrat das Parlament förmlich vor sich her: In der Dezembersession 2004 (29.11. bis 17.12.) behandeln National- und Ständerat die Vorlagen „Bilaterale II/Schengen“ parallel – was sonst völlig unüblich ist. Am 28. Dezember 2004 erfolgt die Ausschreibung im Bundesblatt, und gleichentags beginnt die 100-tägige Referendumsfrist.

Weil es um die Zukunft unseres Landes geht, lancieren wir auf Initiative meines Stellvertreters Werner Gartenmann wie weiland Rudolf Minger eine Schengen- „Wehranleihe“, um den aufwendigen Abstimmungskampf finanzieren zu können. Wir bitten alle Auns-Mitglieder und -Sympathisanten 20, 50, 100 oder mehr Franken in die Schengen-Kampfkasse einzuzahlen. Denn ohne zusätzliche Mittel haben wir kaum eine Chance, gegen die Steuermillionen des Bundesrates und der Verwaltung und gegen die unbegrenzten Millionen von economiesuisse anzukommen, welche eine gewaltige Kampagne führen. Etliche Bundesräte gebärden sich als Partei und als moralische Oberinstanz – und die Demokratie verkommt quasi zur gelenkten, manipulierten Demokratie.

Die damalige St. Galler Justiz- und Polizeidirektorin Karin Keller-Sutter verdient unser Lob. Sie macht nämlich nicht mit bei der Pro Schengen-Kampagne verschiedener Justiz- und Polizeidirektoren, sondern stellt fest: „Staatspolitisch gibt es einige kritische Punkte.“ Durch Schengen werde die Hoheit der Kantone tangiert. Und wir müssten  das heutige Schengenrecht der EU und dessen Weiterentwicklung automatisch übernehmen – und das ohne Mitentscheidungsrecht. „Es wäre das erste Abkommen dieser Art mit der EU“, so Frau Keller-Sutter.

Leider können wir die heutige Bundesrätin Keller-Sutter nicht mehr loben. Sie hat die Begrenzungs-Initiative mit allen Mitteln – u.a. mit einer unsinnigen Überbrückungsrente – bekämpft und kokettiert immer mehr mit der Linken, um ihre Wiederwahl zu sichern.

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Um den Leuten die Augen über Schengen zu öffnen, publizieren wir die einschlägigen Original-Stellen aus dem 500-seitigen Schengen-Recht, dem sogenannten Acquis.

Wie bereits erwähnt, starten wir die Referendums-Unterschriftensammlung am 28. Dezember 2004 mit grossen Standaktionen, die gleichzeitig in über 20 Städten stattfinden. Exakt zur diesem Referendums-Auftakt erscheint zudem unser 100. „Grauer Brief“. Peter Amstutz, Bundeshaus-Redaktor BR, Schlosswil BE, schreibt dazu:

Grauer Brief? Eine ungewöhnliche Bezeichnung „zum Hineinleuchten in die Grauzonen schweizerischer Aussenpolitik“. Grau liegt irgendwo zwischen Schwarz und Weiss. Insofern ist „Grauer Brief“ also zutreffend: Man findet darin pointierte Gegenthesen zur offiziellen Integrations-Propaganda aus dem Bundeshau, und das ist gut so. Denn erst durch Abwägen der Standpunkte wird die eigene Meinungsbildung möglich. Ganz im Sinn des deutschen Staatsmannes Fürst Otto von Bismarck (1815-1898): „Es ist in der Politik niemals möglich, mathematische Beweise zu geben.“

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Aufstockung des Grenzwachtkorps (GWK): Mit 56 Mitunterzeichnern aus verschiedenen Parteien reiche ich am 17. Dezember 2004 eine Motion ein, welche die Aufstockung des Grenzwachtkorps um 200-300 Profis verlangt. Damit soll eine lagegerechte Kontrolldichte (von rund 15 Prozent durch direkte Kontrollen und die sogenannte Gesichtskontrolle) erreicht werden.

Unsere Begründung: Noch im Jahr 2003 war die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates der Auffassung, dass das GWK um 290 Stellen aufgestockt werden müsse, um eine einigermassen lagegerechte Kontrolldichte zu erreichen. Das hat man offenbar bereits wieder vergessen. Unter „Schengener Verhältnissen“, wie sie der Bundesrat und das Parlament anstreben, wäre das Sicherheitsdefizit noch gravierender. Denn laut dem damaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein konnte in Bayern eine genügende Kontrolldichte mit mobilen Patrouillen im Hinterland (Schleierfahndung) nur erreicht werden durch eine Vervierfachung der Polizei- und Kontrollorgane. Wer dies bezahlen soll, steht in den Wolken. Die Motion wird schliesslich, wenn auch in abgeschwächter Form, überwiesen.

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr