Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 31 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Je näher die Abstimmungen vom 5. Juni 2005 über „Schengen“ sowie über die „Ost-Personenfreizügigkeit“ (Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die EU-Oststaaten) vom 25. September 2005 rücken, desto intensiver wird der Kampf auf beiden Seiten geführt. Im Namen des „Schweizerischen Aktionskomitees gegen den Schengen/EU-Beitritt“ und des „Überparteilichen Komitees gegen die Ost-Personenfreizügigkeit“ – beide angeführt von der Auns – erstellen wir u.a. eine Illustrierte Broschüre und verteilen sie grossflächig. Die Broschüre trägt den Titel: „Nein zu Schengen und zur Ost-Personenfreizügigkeit. Denn offene Grenzen heisst: Sicherheit verlieren, Arbeitsplatz verlieren, EU-Beitritt“

Und sie listet sieben Gründe auf, warum dieses Vertragswerk unbedingt abgelehnt werden muss:

1. Nein zur freien Bahn für Kriminelle: Ihr Haus oder Ihre Wohnung sind heute gesichert – mit soliden Türen und Fenstern, mit einer Alarmanlage oder mit einem Zaun. Wenn jemand ins Haus kommen will, muss er anklopfen oder läuten. Und Sie entscheiden, ob er eintreten darf. Anders bei Schengen: Die Türen werden ausgehängt, die Fenster sind weit offen. Die Alarmanlage wird abgestellt, der Zaun wird entfernt. Als Ersatz erhalten Sie (gemäss dem Schengener Informationssystem SIS) eine unvollständige Liste von Verdächtigen, die sich möglicherweise in Ihrer Gegend herumtreiben. Und vielleicht fährt gelegentlich eine Patrouille vorbei…

2. Nein zum untauglichen Schengen-System. 3.Nein zu fremdem Recht. 4. Nein zur Preisgabe des Bankkundengeheimnisses. 5. Nein zum Brüsseler Visa-Diktat. 6. Nein zu Dubliner Illusion (Asylwesen). 7. Nein zum Angriff auf unser Schützenwesen.

*

Im Vorfeld der Schengen-Abstimmung organisieren wir zahlreiche kontradiktorische Veranstaltungen, Standaktionen, Leserbriefaktionen, Flugblattversände, Inseratekampagnen und dergleichen. Es finden mehrere „Arenas“ statt, bei denen die Wogen hochgehen. Bundesräte (vor allem Micheline Calmy-Rey) treten in den Ring, ebenso hohe Bundesbeamte wie der damalige Oberzolldirektor Rudolf Dietrich, und natürlich die Mitte-Links-Politiker(innen), die Apostel eines grenzenlosen Europas, die EU-Anschlussbegeisterten , die Internationalisten und Gutmenschen. Bei Dietrich bin ich nicht so sicher, ob er tatsächlich von Schengen überzeugt ist. Aber er muss sich gegenüber der „Obrigkeit“ loyal verhalten. Von mehreren Grenzwachtoffizieren, die ich gut kenne, weiss ich, dass sie persönlich gegen Schengen sind, aber sie müssen schweigen oder eine neue Stelle suchen.

An einer denkwürdigen Arena präsentiere ich einen Schinken, um auf die Schengen-Absurdität hinzuweisen: Denn laut Schengen dürfen an der Grenze keine Personen-, sondern nur noch Warenkontrollen gemacht werden. Wenn ich also die Grenze überschreite, muss ich kein gültiges Grenzübertrittsdokument (Pass, ID) vorzeigen. Habe ich aber z.B. einen Schinken dabei, kann ich kontrolliert werden. Aber auch im Zusammenhang mit Warenkontrollen sind Personenkontrollen nur bei einem konkreten Verdacht (also bei einer Falsch- oder Nichtdeklaration) zulässig. PS: Den gewichtigen Schinken verspeisen wir dann später bei einer Schengen-Grossveranstaltung in Landquart.

In der Regel haben wir mit den Schengen-Aposteln kein grosses Problem. Denn nach dem Hinweis auf die zentralen Schengen-Bestimmung: „Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrolle überschritten werden. Den zuständigen Grenzbehörden ist es damit untersagt, überhaupt noch Binnengrenzkontrollen vorzunehmen“ schwimmen unseren Gegnern die Felle jeweils ziemlich rasch davon.

Sonntag, 8. Mai 2005 – ein Markstein gegen Schengen

Einen besonderen Markstein gegen Schengen setzt am 8. Mai 2005 – einen Monat vor der Abstimmung – Bundesrat Christoph Blocher an einer unvergesslichen „Gedenkfeier zum Kriegsende in Europa vor 60 Jahren“ in der Grenzgemeinde Rafz. Die perfekte Organisation vor Ort – die Veranstaltung findet im Freien statt, umrahmt von der Musikgesellschaft Rafz, mit anschliessender Festwirtschaft – verdanken wir dem Rafzer Nationalrat Hans Rutschmann. Die Leute strömen in Scharen herbei – und sie verstehen Blochers Botschaft.

Aus Rücksicht auf das Kollegialitätsprinzip spricht Blocher nicht direkt zu Schengen, sondern zum Thema „Die Schweiz im europäischen Umfeld“. Aber schon die Wahl von Rafz macht klar: Es geht um die Bedeutung von Grenzen – von kontrollierten Grenzen, welche Sicherheit verschaffen. Grenzen, die uns damals geschützt und vor einem furchtbaren Krieg bewahrt haben und die uns heute und in Zukunft schützen. Blocher wörtlich: „Als Schweizer denken wir mit Hochachtung an all jene, die damals unerschütterlich für die Eigenständigkeit unsere Landes eingestanden sind. Und wir danken all jenen, die sich mit Mut, Kraft und Entschlossenheit für die Freiheit in Europa eingesetzt haben – und wir gedenken jener vielen Soldaten, die auf den Schlachtfeldern für die Freiheit gestorben sind, und all jener, die Opfer dieses mörderischen Krieges geworden sind. “

Und dann kommt Blocher zum Kern seiner Botschaft: „Um Unabhängigkeit, Selbstverstimmung und Freiheit hochzuhalten, braucht es unabhängige, selbstbewusste und tatkräftige Menschen. Heute wird Freiheit als selbstverständlich wahrgenommen, aber gleichzeitig vernachlässigt. Grenzen gelten als lästig, die Unabhängigkeit als antiquiert.“

„Welches ist der Sinn und Wert von Grenzen? Grenzen definieren den Raum, in dem ein Volk selbst bestimmen kann. Sie definieren den Verantwortungsbereich. Verantwortung zu tragen ist schwer, belastend und mühsam. Darum drängen Politiker in internationale Gebilde, dorthin, wo alle für alles verantwortlich sind, aber niemand für etwas Konkretes.“

Und Blocher fordert: „Wir sind aufgerufen, wieder Grenzen zu setzen, Grenzen zu respektieren und den Respekt vor Grenzen mit Nachdruck einzufordern. Die Schweiz weiss seit Jahrhunderten genau, wo ihre Grenzen liegen. Es wäre den Regierenden auch nie in den Sinn gekommen, Grenzen plötzlich für überflüssig zu erklären. Wer alle Grenzen auflösen will, muss sich nicht wundern, wenn damit nicht nur Grenzen, sondern der ganze Staat aufgelöst wird, mitsamt seiner Identität, seiner Geschichte, seiner Eigenart. Die Grenzen sind der Garant dafür, was den Staat ausmacht.“

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Nun macht Blocher doch noch seine negative Haltung zu Schengen publik. Denn Bundespräsident Deiss hatte an der bundesrätlichen Schengen-Pressekonferenz ausgesagt, die Landesregierung stehe „geschlossen“ hinter Schengen. Blocher wörtlich: „Ich habe kein Verständnis, wenn ein Bundesrat erklärt, die Regierung stehe geschlossen hinter einem Entscheid, wenn dies nicht der Fall ist. Deshalb nehme ich mir hier in aller Form die Freiheit, zu sagen: „Die Schengen-Abstimmung im Bundesrat war weder einstimmig noch steht der Bundesrat heute geschlossen hinter diesem Projekt. Alles andere ist wahrheitswidrig.“

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr