Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 33 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Am 25. September 2005 stimmt das Schweizervolk über die „Ost-Personenfreizügigkeit“ ab. Das heisst: Nach den 15 „alten“ EU-Staaten soll die Freizügigkeit zusätzlich und völlig übereilt auf die zehn neuen EU-Oststaaten Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern ausgedehnt werden. Dies trotz des klaren Beschlusses von Bundesrat und Parlament im Jahr 2002:

Das Schweizervolk kann nach sieben Jahren, also 2009, aufgrund der gesammelten Erfahrungen entscheiden, ob die Personenfreizügigkeit mit der „EU-15“ (!) weitergeführt werden soll.

Davon will man nun in Bundesbern nichts mehr wissen. Im Gegenteil: Bundesrat und Parlament wollen die Freizügigkeit rasch auf die neuen EU-Länder ausweiten, koste es, was es wolle. Es sind dies notabene Staaten mit einer Arbeitslosigkeit von bis zu 20 Prozent und mit Löhnen, die einen Fünftel bis einen Zehntel der Schweizer Löhne ausmachen.

Die Kernpunkte der (Ost-) Personenfreizügigkeit lauten:

1.Jeder EU-Osteuropäer kann in der Schweiz während sechs Monaten Arbeit suchen. 2. Wer eine Stelle findet, bekommt eine Arbeitserlaubnis für mindestens fünf Jahre. Auch wenn er arbeitslos wird, und selbst dann, wenn er die Stelle nicht antritt, kann er bleiben. 3. Die Aufenthaltsbewilligung gilt auch für Ehegatten, Kinder, Enkel, Eltern, Grosseltern und Schwiegereltern. 4. Jeder EU-Osteuropäer hat Anspruch auf Schweizer Sozialleistungen (Krankenversicherung, Kinderzulagen, Invalidenrente). Beispiel Arbeitslosenversicherung: Wer 1 Jahr gearbeitet hat, bekommt 80 Prozent des letzten Lohnes. 5. Jeder EU-Osteuropäer kann sich als selbständig Erwerbender bei uns niederlassen und seine Dienstleistungen anbieten.

An öffentlichen Veranstaltungen, Pressekonferenzen, mit Informationen in alle Briefkästen, mit Inseraten, Strassenaktionen, Leserbriefen und dergleichen versuchen wir, den Leuten die Augen zu öffnen. Denn die Ost-Personenfreizügigkeit hat für unser Land zwangsläufig gravierende Folgen:

Die beiden interessantesten Veranstaltungen zur Ost-Personenfreizügigkeit erlebe ich mit der damaligen CVP-Nationalrätin Doris Leuthard („Duschen mit Doris“) als Kontrahentin – am  11. August 2005 in Lütisburg SG auf der überdachten Holzbrücke, was ein phantastisches „Ambiente“ abgibt – und symbolhaft für auch den „Holzweg (Ost-) Personenfreizügigkeit“  steht – und am 17. August im Kirchgemeindehaus Tittihof in Chur. Wir duschen uns zwar nicht real gegenseitig ab – politisch jedoch schon, indem wir uns zur Freude der Besucherinnen und Besucher beim unterhaltsamen Schlagabtausch offenbar nichts schuldig bleiben. In der anschliessenden Diskussion meinen mehrere Votanten: „Endlich wieder einmal Politik, wie sie sein sollte!“

Es ist völlig klar: Auch die hochgejubelten „Schutzmassnahmen“ (z.B. die Zwangsausweitung der Gesamtarbeitsverträge) werden an den gravierenden Nachteilen der Freizügigkeit nichts ändern. Im Gegenteil: Die Überregulierung des Schweizer Arbeitsmarktes verschlechtert unsere Wettbewerbsfähigkeit und vernichtet Arbeitsplätze. Profitieren werden Gewerkschafts- und Wirtschaftsfunktionäre und einige Manager von Grossfirmen. Den Preis haben wir „Normalbürger“ zu zahlen.

Auch der damalige Bundesrat Blocher warnt im SonntagsBlick vom 26.12.2004: „Es ist doch logisch, dass wir mehr Arbeitslose haben werden, wenn man das Arbeitskräfteangebot vergrössert und nicht gleichzeitig mehr Stellen schaffen kann. Schon heute haben wir Probleme wegen der Personenfreizügigkeit mit den EU-15-Ländern. Die Arbeitslosigkeit sinkt nicht – trotz konjunktureller Erholung.“

Wir stellen immer wieder die entscheidende Gretchenfrage:

Wollen wir weiterhin souverän bestimmen, wer in unser Land einwandern, Arbeit suchen, sich niederlassen, seine (Gross-) Familie nachziehen und schweizerische Sozialleistungen beziehen kann? Oder wollen wir eine unkontrollierte Ost-Zuwanderung? Und nehmen wir als Folge davon tiefere Löhne, mehr Arbeitslose, kaputte Sozialwerke und einen massiven Souveränitätsverlust in Kauf?

*

Der Abstimmungstag vom 25. September 2005 naht. Die Spannung steigt. Werden wir diesmal siegreich sein? Oder gewinnt (wie bei Schengen) die unheilige Mitte/links-Gutmenschen-EU-Anbiederungs- und Unterwerfungs-Allianz?

Leider ist Letzteres der Fall. Mit 54% Ja- gegen 46% Nein-Stimmen (bei 54,5% Stimmbeteiligung) tragen sie den „Pyrrhus-Sieg“ davon. Viele Leute haben geglaubt, was man ihnen aus Bundesbern – und auch von Seiten der EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner – gebetsmühlenartig aufgetischt hat: „Ohne die Ost-Personenfreizügigkeit ist das (bereits gutgeheissene) Schengen/Dublin-Abkommen nicht zu haben.“ Und wer A gesagt habe zur Personenfreizügigkeit mit der EU-15 müsse nun auch B sagen zur Ost-Personenfreizügigkeit.

Immerhin lässt sich nun sagen: Der bilaterale Weg ist durch den Volksentscheid gestärkt. Umso mehr ist der EU-Beitritt vom Tisch – darum ist das Beitrittsgesuch endlich zurückzuziehen!

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr