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Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 34 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Nach den beiden Abstimmungen über Schengen (5. Juni 2005) und die Ost-Personenfreizügigkeit (25. September 2005), die für uns vor allem wegen der immensen Staats- und Medienpropaganda negativ verlaufen sind, müssen wir nun dafür sorgen, dass die EU-Anschluss-Apostel nicht übermütig werden.

Die Auns verlangt daher für einen aussenpolitischen Kurswechsel: Die Schweiz muss sich wieder auf ihre Stärken und Besonderheiten besinnen. Wir (Pirmin Schwander, Luzi Stamm, Oskar Freysinger, Werner Gartenmann und ich als Geschäftsführer) präsentieren dazu am 14. November 2005 an einer Pressekonferenz im Bundeshaus zehn Massnahmen für Unabhängigkeit und Neutralität:

1. Von verwaltungsexterner Seite ist bis Ende 2006 ein Bericht über die Vor- und Nachteile verschiedener europapolitischer Wege zu erstellen. Die Auns verfasst einen eigenen „Europabericht“.
2. Das EU-Beitrittsgesuch ist zurückzuziehen.
3. Falls der Bundesrat nicht von seinem Beitrittsdrang abrückt, wird die Auns eine Volkinitiative lancieren, die einen EU-Beitritt ausschliesst. (Dazu präsentieren wir sieben Varianten für die Änderung der Bundesverfassung).
4. Die Auns verlangt einen referendumsfähigen Beschluss zur Kohäsionsmilliarde.
5. Die Staatspropaganda in Bundesbern ist zu stoppen.
6. Die Auns akzeptiert weder EU-Beitrittsetappen (unter dem Deckmantel Bilaterale) noch ein institutioneller Rahmen- oder ein Dienstleistungsabkommen.
7. Die Handelsbeziehungen mit Asien und Amerika sind auszubauen.
8. Der Bundesrat muss sein Neutralitätsverständnis in einem „Neutralitätsbericht 2007“ darlegen.
9. Die Auns fordert eine bedrohungsgerechte Milizarmee.
10. Die Auns wird im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2007 detaillierte Wahlempfehlungen für Auns-taugliche bzw. -untaugliche Parlamentsmitglieder veröffentlichen.

Dass wir mit unseren Forderungen richtig liegen, beweist auch die gute Positionierung der (nicht an die EU gebundenen) Schweiz als Wirtschaftsstandort. Bei den „Rankings“ liegt sie stets in der Spitzengruppe. Dazu zwei markante Stimmen:

„Die Schweiz ist im EU-Vergleich erstaunlich gut unterwegs. Und das erst noch mit phantastischen monetären Bedingungen und einer weit überdurchschnittlichen Arbeitsmarktentwicklung. Eine Einbindung in die EU beraubte uns nicht nur globaler Wachstumschancen, sondern stellte unser Land vor unabsehbare Zins-, Inflations- und Arbeitslosigkeitsrisiken sowie Gefahren im Bereich der öffentlichen Verschuldung. Da überdies die Rahmenbedingungen in der Schweiz und in der EU mehr und mehr auseinanderklaffen, rückt der EU-Beitritt immer weiter in die Ferne.“

Franz Jäger, Professor für Wirtschaft an der Hochschule St. Gallen, in „Finanz und Wirtschaft“ vom 8.10.2005

„Die Schweiz mit ihren 26 Kantonen und rund 3000 Gemeinden, ihrer geteilten Verantwortung, ihrer langsamen Gesetzgebung (was zum Glück auch für gesetzgeberische Dummheiten gilt) scheint für Aussenstehende sehr unübersichtlich. Man könnte diese Staatsform kaum formulieren wollen. Die Schweiz ist eben ein historisch gewachsener Staat. Kein staatsrechtliches Lehrbuch kann einen solchen Staat rational erklären. Und trotzdem: Wir halten daran fest. Schon darum, weil dieses System funktioniert.“

Bundesrat Christoph Blocher anlässlich des Bremer Tabakkollegiums, 9.6.2005

Stellungnahme der Auns nach 5 Jahren Uno-Beitritt: Schaden für unsere Neutralität!

Wir stellen fest: Seitdem die Schweiz im Jahre 2002 der politischen Uno beigetreten ist, sind unsere Bundesräte und Diplomaten mehrheitlich in geradezu exzessivem Mass bemüht, mit Aktivismus, Milliarden-Versprechungen und schönen Reden aufzufallen und sich auf der Weltbühne in Szene zu setzen. Nachdem sich Bundesrätin Calmy-Rey „im Namen der Schweiz“ massiv in den Kosovo-Konflikt eingemischt, die Unabhängigkeit des Kosovo gefordert und damit weitherum Kopfschütteln ausgelöst hat, sah sich Bundesbern genötigt, wortreiche Erklärungen über angebliche Missverständnisse abzugeben. Auch bei der Kohäsionsmilliarde für die neuen EU-Oststaaten hat Calmy-Rey (neben Joseph Deiss) die entscheidende Rolle gespielt, um den Verhandlungsabschluss für die Ost-Personenfreizügigkeit voranzutreiben.

Die Auns wird im Jahr 2007 ein umfangreiches „Schwarzbuch der schweizerischen Neutralität“ vorlegen (mehr davon  im nächsten „Damals“).

Zur Aktualität: Im Zusammenhang mit dem verbrecherischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine trägt die offizielle Schweiz die Sanktionen der EU voll mit. Dies steht im Widerspruch zu unserer integralen (umfassenden) Neutralität. Ausländische Medien berichten denn auch, dass die Schweiz ihre „Neutralität über Bord geworfen“ habe. Der Schaden ist angerichtet – und wird mit unserem Beitritt zum Uno-Sicherheitsrat noch zementiert. Der Bundesrat hätte klarmachen müssen: Wir verurteilen Putins Angriffskrieg in aller Schärfe. Als Neutraler können wir die EU-Sanktionen jedoch nicht voll mittragen. Wir sorgen jedoch dafür, dass sie  in der Schweiz nicht unterlaufen werden können.

Am 6. Mai 2006 findet die besonders denkwürdige 21. MitglIederversammlung der Auns in Bern statt. Zum Thema „Schweiz – EU“ sprechen gleich drei bekannte Gastreferenten: Klaus von Dohnanyi, ehem. SPD-Bundesminister und Erster Bürgermeister von Hamburg, Prof. Dr. Franz Jäger, Ordinarius für Wirtschaftspolitik an der Universität St. Gallen, sowie Tito Tettamanti, Unternehmer/Financier  in Lugano und London. Während Jäger und Tettamanti einen EU-Beitritt der Schweiz entschieden ablehnen, sieht Dohnanyi in der EU ein Friedensprojekt, für das die Mitgliedschaft der Schweiz eine Bereicherung wäre.

Am Rand der Versammlung erzählt mir Dohnanyi die bewegende Geschichte seiner letzten Begegnung als 16-Jähriger mit dem evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-45), einem Bruder seiner Mutter. Bonhoeffer, der noch am 9. April 1945, also einen Monat vor Kriegsende, im KZ Flossenbürg auf ausdrücklichen Befehl Hitlers hingerichtet wurde, hat bekanntlich in der Haft das berühmte Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ für seine Verlobte geschrieben, dessen letzte Strophe lautet:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag. 

Auch sein Vater, Hans von Dohnanyi, wurde im Zusammenhang mit dem Anschlag vom 20. Juli 1944 auf Hitler im KZ Sachsenhausen noch kurz vor Kriegsende ermordet. Diese furchtbaren Umstände haben sich Klaus von Dohnanyi verständlicherweise unauslöschlich eingeprägt und später auch sein Denken bezüglich „Friedensprojekt EU“ beeinflusst.

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr