Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 38 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Einer der Höhepunkte in meiner Zeit als Auns-Geschäftsführer (1. April 1998 bis Herbst 2010) ist zweifellos die 24. Mitgliederversammlung vom 25. April 2009 im Berner Hotel National. Es ist mir nach etlichen Bemühungen gelungen, Franz Ludwig Graf von Stauffenberg, den jüngsten Sohn des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg, als Gastredner zu gewinnen. Letzterer ist bekanntlich – nach dem leider gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 in der „Wolfsschanze“ in Ostpreussen – noch in der Nacht des 20. Juli, Auf Befehl von Generaloberst Fromm, erschossen worden.

Franz Ludwig, wortgewaltig und ein Hüne von Gestalt, macht den rund 1‘000 anwesenden Auns-Mitgliedern, Sympathisanten und Gästen einen enormen Eindruck. Er bekennt in seinem Referat „Die Europäische Union und der Rechtsstaat“, ein überzeugter Europäer zu sein. Gleichzeitig warnt er aber eindringlich vor den Fehlentwicklungen in der EU, die im Vertrag von Lissabon kumulierten. Denn „Lissabon“ sei nicht „ein Sieg für Europa“, sondern ein Sieg der Brüsseler Funktionäre und der „Amtlinge“ über den Bürger. Damit würden letztlich der Rechtsstaat und die Demokratie ausgehebelt. Stauffenberg betont, er wolle den Schweizern keine Empfehlungen zum Umgang mit der EU geben, er sage lediglich: „Schaut Euch diesen Laden genau an!“

Die EU als anonyme Machtmaschine der „Amtlinge“
Stauffenberg stellt fest, er sei im vergangenen Februar vor dem Deutschen Verfassungsgericht in Karlsruhe als Kläger aufgetreten, um die Ratifizierung des Reformvertrags von Lissabon durch Deutschland zu verhindern, „weil dieser Vertrag die demokratische Legitimation der EU vollends beseitigt.“ Die Leute, die in Brüssel die Macht ausübten, seien die Akteure eine Kollektivs von „Amtlingen“ – von ungewählten Staatssekretären, Ministerialbeamten, Referenten, Kommissaren und Lobbyisten ohne Verantwortung.

Sie funktionierten in Brüssel als „anonyme Machtmaschine“, die über alles bestimme. „Sie haben schleichend eine Zentralregierung geschaffen, die bis hinein in die Details des Alltags alles regelt, etwa in der Frage des Eigentums.“ Der Job der Amtlinge sei es, die eigene Funktion und die eigene Macht und die ihrer Kaste zu erhalten und zu stärken. Von dieser „Obrigkeit“ gingen 80 Prozent aller Rechtsnormen des täglichen Lebens der EU-Bürger aus.

Stauffenberg weist auf die folgende absurde Tatsache hin: „Nur Staaten, die rechtsstaatlich, demokratisch und gewaltenteilig ihren Bürgern Rechenschaft ablegen, können Mitglied der EU werden. Aber exakt die EU erfüllt diese Anforderungen nicht! Wäre sie selbst ein Staat, dürfte sie nicht Mitglied der Union werden!“

Die Europäer, so Stauffenberg, müssten sich wieder darauf besinnen, was sie seien – nämlich Bürger von Rechtsstaaten und Demokratien, in denen sie die Mächtigen kontrollierten und ihre Macht begrenzten – und nicht umgekehrt.

Die Auns-Mitglieder verabschieden schliesslich eine Resolution, die den „Ausverkauf der besonderen Stärken der Schweiz“ sowie die „Kapitulation des Bundesrates gegenüber ausländischem Druck“ scharf verurteilt und verlangt, dass der Bundesrat endlich die Interessen der Schweiz vertreten müsse.

Genugtuung für Stauffenberg
Bald nach seinem brillanten Referat bei der Auns geben die Karlsruher Richter Graf Stauffenberg weitgehend Recht. Er ist als Kläger gegen die Vereinbarkeit des Lissaboner Vertrages mit dem Grundgesetz aufgetreten. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, der Lissaboner Vertrag der EU weise schwere Mängel auf. „Das Grundgesetz erlaubt eine Übertragung von Hoheitsrechten nur, wenn sichergestellt ist, dass die Mitgliedstaaten souverän bleiben.“ Eine „Integration“, die darüber hinausgehe, müsse laut Grundgesetz „von dem deutschen Volke in freier Entscheidung  beschlossen“ werden können. Das Verfassungsgericht räumt sogar jedem Bürger ein ausdrückliches Klagerecht ein. Und es spricht der EU jedes Recht, die Zentralisierung von oben eigenmächtig voranzutreiben, schlichtweg ab.

Eine fast unglaubliche Geschichte         
Der Auftritt von Franz Ludwig Graf von Stauffenbergs bei der Auns elektrisiert natürlich auch die Medienwelt – umso mehr als damals gerade der Film „Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ mit Hauptdarsteller Tom Cruise in den Kinos angelaufen ist. Auch ein Journalist des „SonntagsBlick“ ist sehr interessiert und verfasst einen umfassenden illustrierten Bericht über unseren berühmten Gastredner. Erwartungsvoll schlage ich am nächsten Tag den SonntagsBlick auf – und bin masslos enttäuscht. Der ursprünglich mehrseitige Bericht ist auf eine 1-spaltige Kurznachricht mit einem Foto in Briefmarkengrösse zusammengeschrumpft. Ich stelle den Journalisten zur Rede und bekomme nur Ausflüchte zu  hören; offensichtlich ist ihm die Sache selbst peinlich.  Später gesteht er mir dann die wahre unglaubliche Geschichte: Der Abzug des SonntagsBlicks habe vorgängig, wie üblich, nach Berlin zur Begutachtung  (sprich Zensur) durch Frank A. Meyer geschickt werden müssen. Und siehe da: Meyer habe umgehend sein Veto eingelegt und sinngemäss bemerkt: „Seid Ihr wahnsinnig, der Auns eine solche Plattform zu geben?“ Und er habe durchgesetzt, dass der Bericht praktisch zur Unkenntlichkeit habe abgespeckt werden müssen. (So war/ist es also bestellt mit der „internen“ Pressefreiheit bzw. der sachgerechten Information bei Ringier.

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr