Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 5 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Im Sommer 1998 fällt uns auf der Auns-Geschäftstelle ein Artikel der Freiburger Staats- und Europarechtlerin  Prof. Dr. Astrid Epiney ins Auge. In einer Nationalfondsstudie kommt sie zu folgendem Schluss: „Bei einem EU-Beitritt bleiben Referendum und Initiative fast integral bestehen. Unser Beitritt fordert uns nur marginale Retouchen bei der direkt-demokratischen Entscheidungsfindung ab.“

Diese „marginalen Retouchen“ sehen so aus: „Das Referendum könnte durch eine ‚neue Norm in der Bundesverfassung‘ ausgeschlossen werden, damit es die ‚Rechtsetzung aufgrund verpflichtender EU-Vorgaben‘ nicht tangiert. Im Klartext: Das Referendum wird dort wirkungslos und abgeschafft, wo es dem EU-Recht widerspricht! Dasselbe wäre auch bei Volksinitiativen der Fall.

Geradezu unglaublich wird in der Studie „der richtige Zeitpunkt“ für die Ungültig-Erklärung einer Volksinitiative abgehandelt: „Erfolgt die Ungültig-Erklärung vor der Volksabstimmung, so hat dies den Vorteil, dass auf eine solche Konsultativabstimmung verzichtet werden kann. Lässt man die Abstimmung aber laufen und entscheidet man nachher, so schützt man die Diskursfunktion des Instruments Volksinitiative.“

Das ungeheuerliche Fazit auf gut Deutsch: Erklärt man eine Volksinitiative erst nach der Volksabstimmung für ungültig, so hat man dem tumben Volk immerhin die Möglichkeit geboten, dass es über das Anliegen der Initiative schwatzen kann. (Der aktuelle Rahmenvertrag geht mit den angedrohten Strafmassnahmen bei Nichteinhalten von EU-Recht bekanntlich noch einen Schritt weiter. Wahrlich: Weit  haben wir’s gebracht …)

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Ab Mitte 1998 steht für die Auns auch die Uno-Beitrittsfrage erneut im politischen Rampenlicht. Im Juli legt der Bundesrat – trotz der wuchtigen Ablehnung im Jahre 1986 (75,7% der Stimmbürger und alle Stände sagten damals Nein) – einen „Bericht über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen“ vor. Der Bundesrat möchte den Beitritt zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“ vollziehen. Dies mit der „Argumentation“, unser Land sei bereits stark engagiert in der Uno; so sei die institutionelle Mitgliedschaft nur logisch. Aussenminister Flavio Cotti meint in der NZZ vom 2. Juli 1998, seine Kontakte mit dem Uno-Generalsekretär seien derart häufig, dass er den Überblick über die Treffen verloren habe (!)  Zudem sei unsere Neutralität „kein Hindernis mehr“, denn die Schweiz trage die Uno-Sanktionen ohnehin freiwillig mit.

Im Hinblick auf die spätere Volksabstimmung (sie wird am 3. März 2002 stattfinden und leider den Beitritt zur politischen Uno vollziehen) steigen wir von der Auns kräftig in die Hosen. Denn ein Uno-Beitritt schwächt unsere Unabhängigkeit und Neutralität und gehört daher zu unserem Kerngebiet. Unsere Pressemitteilung im Sommer 1998 lautet (in gekürzter Form) wie folgt:

Mit einem Vollbeitritt zur Uno wird die Schweiz zwangsläufig in fremde Händel hineingezogen und als Partei betrachtet. Wir müssen uns an Sanktionen gegen Drittländer beteiligen, und unsere immerwährende bewaffnete Neutralität wird unglaubwürdig. Unsere besonderen Stärken als neutraler Vermittler werden infrage gestellt. Zudem haben wir noch viel höhere Zahlungen an die Uno-Bürokratie und den internationalen Konferenztourismus zu leisten.

Anlässlich eines Vortrags in Winterthur am 2. Juni 1998 äussert sich der russische Aussenminister Jewgenij Maximowitsch Primakow zur Neutralität: „Russland hat grosse Achtung vor der Schweiz, deren Aussenpolitik schon seit mehr als 150 Jahren auf den Grundsätzen der Neutralität, der Nichtbeteiligung an Militärbündnissen und der normalen Beziehungen mit andern Staaten beruht. Die neutralen Staaten spielen erfolgreich die Vermittlerrolle bei der Lösung von Konfliktsituationen auch ausserhalb Europas. Die neutralen Staaten tun auch viel für die Vertrauensbildung, Transparenz und Voraussagbarkeit in den internationalen Beziehungen.“

In Missachtung dieser klaren Botschaft und wider alle staatspolitische Vernunft drängen die Neutralitätsabschaffer in Bundesbern derzeit sogar in den Uno-Sicherheitsrat. In Abwandlung des Schillerwortes „Wann endlich wird die Freiheit kommen diesem Lande?“ (Wilhelm Tell) könnte man ausrufen: „Wann endlich wird die staatspolitische Vernunft kommen diesem Lande bzw. seiner sogenannten „Elite“?

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Gegen Ende Juni 1998 erreicht uns die Nachricht vom Hinschied von alt Bundesrat Ernst Brugger im Alter von 84 Jahren. Aufgewachsen in kleinbäuerlichen Verhältnissen in Mönchaltorf ZH, hat er zunächst während vieler Jahre als begnadeter Sekundarlehrer in Gossau ZH gewirkt.

Ein ehemaliger Brugger-Schüler erzählte mir, dass Brugger als Offizier oft die Bedeutung der Armee und v.a. der Grenadiere hervorgehoben habe. Resultat: „Alle Schüler der 3. Sekundarklasse wollten Grenadiere werden!“

Ein kleines Stimmungsbild von damals: Brugger interessierte sich für den Beitritt zur Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB). Einen Lehrer wollte die damalige örtliche BGB in den 50er Jahren aber nicht als Mitglied, sodass Brugger der FDP beitrat. Er wurde Kantonsrat, Gemeindepräsident von Gossau,  1959 Zürcher Regierungsrat und 1969 Bundesrat, wo er als kompetenter Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes stets auch ein offenes Ohr für die Landwirtschaft hatte. Brugger genoss in der Bevölkerung grosses Vertrauen – was man heute leider nicht von allen Mitgliedern der Landesregierung sagen kann.

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr