Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der Auns

Von Hans Fehr, a. Nationalrat und Geschäftsführer der Auns, Eglisau ZH

Teil 7 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Im Februar 1999 präsentiert der EU-beitrittsbegeisterte Bundesrat den „Integrationsbericht 1999“. Das 400-seitige Dokument, angeblich eine sachlich-nüchterne Auslegeordnung über die Vor- und Nachteile eines EU-Beitritts sowie weiterer Integrationsmodelle, ist in Wirklichkeit ein Propagandabericht.

Die massiven Belastungen und Nachteile eines EU-Beitritts für unser Land schimmern im bundesrätlichen Bericht zwar da und dort durch. Sie werden aber verharmlost und zum Teil gänzlich unterschlagen.

Wir erarbeiten in der Folge auf der Auns-Geschäftsstelle eine umfassende Stellungnahme „Die Schweiz und die Europäische Union“, präsentieren sie den Medien und an Veranstaltungen und verschicken Zehntausende von Exemplaren an Mitglieder und Interessenten. Die Auns kann bis auf den heutigen Tag für sich in Anspruch nehmen, dass sie massgeblichen Anteil daran hat, dass unser Land nicht Mitglied der EU geworden ist. Auch beim aktuellen Kampf gegen den Rahmenvertrag ist die Auns an vorderster Front beteiligt.    

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Parallel zur Verharmlosung und Beschönigung eines EU-Beitritts laufen die Bemühungen des Bundesrates für den „bilateralen Weg“ im Jahre 1999 auf Hochtouren. Die Krux liegt darin, dass die Mehrheit der Landesregierung und die politische „Elite“ weiterhin nach Brüssel drängen. FDP-Bundesrat Pascal Couchepin zeigt sich am 11. Juni 1999 in Interlaken überzeugt, „dass die Schweiz fähig ist, der EU ohne den Verlust ihrer Identität beizutreten.“ (Die Frage ist nur, was man unter Identität versteht). Die bilateralen Verträge, so Couchepin, seien lediglich ein erster Schritt zum Beitritt.

Die EU-Funktionäre nehmen das natürlich gerne zur Kenntnis und haben deshalb keine Eile bei den  Verhandlungen. Umso mehr drängt der Bundesrat darauf, die sogenannten bilateralen sektoriellen Abkommen in den sieben Bereichen Personenverkehr, Landverkehr, Luftverkehr, Forschung, Landwirtschaft, öffentliches Beschaffungswesen und technische Handelshemmnisse inkl. Gesetzesanpassungen und flankierende Massnahmen voranzutreiben. Er will den raschestmöglichen Abschluss der Verträge nach dem Prinzip „Augen zu und durch“. Das Ganze ist geprägt durch Oberflächlichkeit.

In einer Sondersession vom 30. August bis zum 3. September 1999 sollen die bilateralen Verträge gestaffelt (mit einem Wechsel zur Halbzeit) durch beide Räte „gepeitscht“ werden. In der Septembersession sollen die Differenzen bereinigt werden, die Schlussabstimmung wird auf den 8. Oktober angesetzt.

Wir stellen in den Auns-Gremien nach intensivem Studium fest: Die sieben Abkommen, die parallel behandelt werden, bilden ein kompliziertes, unübersichtliches Paket mit mehr Nachteilen als Vorteilen für unser Land. Die vorgesehene Kündigungsmöglichkeit beim Personenfreizügigkeits-Abkommen nach sieben Jahren ist eher eine theoretische Paragraphenklauberei. Sollen wir das Referendum ergreifen – und damit den Beitrittsaposteln vielleicht noch mehr Auftrieb geben? Die Auns steht vor einer schwierigen Entscheidung.

Ein wohltuender Abstecher ins Weinland

Mitten in der Auseinandersetzung um den EU-Beitritt und die Bilateralen I setzt das Weinländer Herbstfest vom 12./13. September 1998 im wunderbar geschmückten zürcherischen Flaach einen wohltuenden  Kontrapunkt zur Politik. Auf Einladung von Nationalrat Ulrich Schlüer ist auch Bundesrat Ogi als Ehrengast zugegen. Dabei widmet ihm der unvergessliche Bauerndichter Willy Peter (1923 – 2011) zum Willkomm das folgende hier auszugsweise abgedruckte Gedicht.

S Züri Wyland sait Grüezi    

Herr Bundesrat, sind Si willkumm!
Mir säged Ine zeerscht warum
das miir, mit öisne Chind,
e ganz e gmögigs Völchli sind
wo sich uf allergattig Glais
na wacker sälber z hälfe waiss.
Mir händ da Wuurzle, edle Wy,
und sind bin alem Tue deby.

De Herrgott isch, mir gschpüüred s naime,
au bin öis e chli dihaime:
„Da feelt na öppis“, hät er tänkt,
und hät der Schwyz na s Wyland gschänkt.
(…)
Jez wüssed Si, Herr Bundesrat,
wie s da im Wyland um is schtaat.
Nu d EU hämer nid beschproche –
mir händ is halt e bitzli gschtoche
wil me vo öis heer use gseet:
Mir sind i zää Minute deet.
Au bi der Solidariteet
läbed mer na echli Dieet.

Willy Peter präsentiert dem hohen Gast sodann in seinem würzigen Weinländer Dialekt Überlegungen und Forderungen zu den Erpressungsversuchen aus Amerika, zum Wesen des „Schweizer Hauses“, zur NEAT, zur Landwirtschaft und für mehr Bodenständigkeit, Bescheidenheit und Freude an unserem Land. Und er endet wie folgt:

Jez höri uf. Em Volch chunts
sicher ggläge.
Sii wänd ja, glaub i, au na öppis säge!
Uf Bäärndüütsch! Wundersaami Töön,
au wämer s schweer verschtönd:
S isch schön!
Nu s Züritüütsch isch na perfäkter!
Eb Räbpuur oder Schportdiräkter:
Wän Jedes Jedes wider gärn verschtaat,
dihaim, im Parlamänt, im Bundesraat,
im Volch und Stand und Hoof und Huus,
dänn chömed mer us öisem Zwyschpalt uus!

Und ganz am Schluss, Herr Bundesrat,
e Woret, wo i d Mitti schaat
als hine füre gholts Konzäpt
und immer wider gfröits Rezäpt:
Mir wänd überläbe!
Zäiged mers tüütli:
Mit em Chopf i der Wält,
mit em Heerz uf em Rütli!

(Fortsetzung folgt)



Hans Fehr