Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der SVP

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Teil 1 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Juni 1984. Es ist heiss. Am späteren Nachmittag soll ich mich bei der Parteispitze der kantonalen SVP in Zürich vorstellen. Ich habe mich auf eine Ausschreibung in der NZZ für die Stelle als Parteisekretär gemeldet.

Noch bin ich aber - seit 1976 - Reallehrer in Eglisau. Und ausgerechnet heute findet der Sporttag der Oberstufe statt, für den ich verantwortlich bin. Der Anlass ist kurz vor dem Abschluss. Die Ranglisten sind erstellt. Bald fährt mein Zug. Aber selbstverständlich gibt es genau heute eine Verzögerung. Der Sohn eines Schulpflegers ist angeblich wegen eines Messfehlers nicht richtig "rangiert" worden. Der Schulpfleger verlangt, dass sein Sohn nachträglich eine Disziplin wiederholen kann.

So erreiche ich schliesslich unter grösstem Zeitdruck gerade noch den letztmöglichen Zug, um rechtzeitig in Zürich zu sein. Im Zug habe ich endlich Zeit, mich "mental" noch etwas vorzubereiten und die Krawatte zu montieren - damals für ein solches Gespräch ein Muss. Ich will die Krawatte aus der Mappe nehmen und realisiere - o Schreck - dass ich sie offenbar vergessen habe. Was tun? Kann ich in Zürich noch rasch eine kaufen? Ausgeschlossen, keine Zeit!

Da kommt auf der Höhe von Glattbrugg der Kondukteur daher - mit einer rot-blauen SBB-Krawatte um den Hals. Ich reagiere blitzartig. Das ist meine Chance! Ich erkläre dem Mann meine Situation und bitte ihn, mir die Krawatte zu verkaufen. Er reagiert zuerst verblüfft, dann aber äusserst kooperativ. "Ich habe noch mehr solcher Krawatten und schenke Ihnen diese" - und weigert sich, Geld zu nehmen. Noch selten bin ich einem Menschen derart dankbar gewesen.

In Zürich angekommen, sehe ich: Die Zeit wird knapp. Um schneller beim SIA-Hochhaus im Selnau-Quartier, dem damaligen Verwaltungssitz der EMS-Chemie zu sein, nehme ich ein Taxi - und stecke im Bereich Gessnerallee bald hoffnungslos im Stau. In höchster Not verlasse ich das Taxi und renne im Schweisse meines Angesichts zum Hochhaus. Frau Rapold, Blochers Sekretärin, empfängt mich freundlich und heisst mich - Gott sei Dank - noch ein paar Minuten Platz zu nehmen.

Und sieh da: Die Sache läuft rund. Ich habe nach meinem Vorstellungsgespräch "unter erschwerten Umständen" mit den Herren Christoph Blocher, Hansjörg Frei und weiteren Mitgliedern des Büros der Parteileitung ein gutes Gefühl. Am nächsten Tag erfahre ich von meinem Vorgänger Fredy Kradolfer, dass es für mich "gut aussehe", und schliesslich kommt die offizielle Zusage - vorbehältlich der Zustimmung des Kantonalvorstandes. Kein Wunder, dass ich "der SBB" noch heute dankbar bin und ihr sogar die Verspätungen verzeihe.

*

Im Oktober 1984 trete ich meine neue Aufgabe an der Nüschelerstrasse 35, 8001 Zürich, an und werde von Kradolfer eingearbeitet. Nach einigen Tagen ruft Blocher an, will mich und Kradolfer am nächsten Tag sehen und meint, ich solle mir Gedanken machen, wie ich die neue Funktion angehen wolle. Ich schreibe ein kleines Konzept mit ein paar, wie mir scheint, wahnsinnig klugen Absichtserklärungen - wie wichtig der liberal-konservative Kurs der SVP sei, dass die Partei die Leute volksnah und mit Fakten überzeugen müsse. "Gut so", meint Blocher nachsichtig, "aber ich denke, wir sollten demnächst alle unsere Bezirks- und Sektionspräsidenten treffen, Ihnen unsere Ziele erläutern und unsere konkrete Unterstützung anbieten. Gesagt, getan. In kürzester Zeit führen wir vier dezentrale Veranstaltungen mit allen SVP-Vertretern durch und legen so einen soliden Grundstein für die weitere politische Arbeit. In kurzer Zeit habe ich vom damaligen Parteipräsidenten viel gelernt - nach dem Leitsatz "Machen statt reden!"

Und ich lerne noch etwas. Mein Vorgänger meint: "Auf die junge Büroangestellte, die temporär auf dem Sekretariat arbeitet, kannst Du Dich voll verlassen." Tönt gut. Bis mich nach einigen Tagen die Präsidentin der damaligen SVP-Frauenkommission anruft und meint, die Einladung für eine Tagung enthalte ein falsches Datum sowie etliche weitere Fehler. Peinlich! Meine vielleicht banale "Lehre aus der Übung": In unsicheren Lagen ist Kontrolle ist (fast) alles. (Fortsetzung folgt)

Hans Fehr