Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant
Teil 12 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik"Gesund und fit durch den Winter": Was hat dieses Thema mit
der SVP zu tun? Wo es doch weiss Gott - zumal im Hinblick auf
wichtigen Gemeindewahlen 1990 - andere Brennpunkte gibt. Aber
warum soll man sich neben allen politisch brisanten Themen nicht
auch um die Gesundheit der Leute kümmern?
Die Idee, die ich der Sportkommission unterbreite und der sie
sofort zustimmt, ist denkbar einfach: Wir gestalten eine illustrierte
Broschüre, welche die Leute dazu einlädt, während 12 Wochen,
von Januar bis März 1990, dreimal pro Woche je eine halbe Stunde
Sport zu treiben - sei es Jogging, Velofahren, Schwimmen, Eislaufen,
Skifahren, Krafttraining oder was immer. Zudem sollen sie täglich
mindestens einen Apfel essen und ein Glas Milch trinken. Wer an der
Aktion teilnimmt, trägt die entsprechenden Aktivitäten auf einen
Terminplan in der Broschüre ein. Und wer die ausgefüllten Coupons
Anfang April einsendet, nimmt an einem Wettbewerb mit attraktiven
Preisen teil. Diese reichen von sportlichen Familienferien über
Mountain Bikes, Sportuhren, Turnschuhe und Ovomaltine bis zu
Tragtaschen voller Äpfel und diversen Trostpreisen.
Um die Parteikasse nicht zu belasten, mache ich die Sache möglichen
Sponsoren schmackhaft - u.a. dem Obst- und dem Milchverband,
diversen Sportverbänden und weiteren Interessierten, und es kommen
so rund 120'000 Franken zusammen. Im Dezember 1989 versenden wir
die illustrierte Broschüre "Gesund und fit durch den Winter" an
die über 500'000 Haushaltungen im Kanton Zürich.
Die Aktion wird ein voller Erfolg. Aus mehreren Tausend Einsenderinnen
und Einsendern laden wir die rund 500 Preisgewinner und weitere
Interessierte zu einer Plauschveranstaltung mit Spitzensportlern
in die Mehrzweckanlage Seehalde nach Niederhasli im Zürcher Unterland
ein. Mit dabei sind u.a. Donghua Li, der spätere Olympiasieger, der
seine Künste am Pferdpauschen zeigt, ebenso der Kunstturner Sepp
Zellweger, der Mehrkämpfer Alex Schumacher, die Duathletin/Triathletin-Europameisterin
Dolorita Gerber, der Judo-Olympiasieger Jürg Röthlisberger,
Gert Kilbert, Schweizermeister über 800 Meter, der Radprofi Urs Freuler,
sowie Jürg Randegger u.a. Es gibt jede Menge Autogramme, sportliche
Spiele für Kinder, einen Plauschfussballmatch, Verpflegung vom Grill,
und schliesslich folgt die Preisverteilung und die Ziehung der Hauptpreise.
Fazit nach getaner Arbeit: Es hat sich mehr als gelohnt. Zusätzlich
dank der erfolgreichen Abschaffung der Billettsteuer steht
die SVP auch in Sportkreisen hoch im Kurs.
Selbstverständlich geht darob der politische Kernauftrag nicht vergessen.
Neben der intensiven Vorbereitung der Gemeindewahlen 1990 findet am 26.
Januar die zweite Albisgüetli-Tagung mit bereits 1000 Besuchern statt.
Nach Christoph Blochers flammender Ansprache "Wider die politische
Unkultur" hat Bundesrat Otto Stich das letzte Wort. Und er kommt mit
seiner schnörkellosen, volksnahen Art gut an, obwohl er sein "Lieblingspferd"
reitet und für eine Erhöhung der direkten Bundessteuer für juristische
Personen plädiert. (Vier Jahre später wird er seine Zusage für die
Albisgüetlitagung widerrufen - aus Protest gegen das "Messerstecher-Inserat",
weil dieses die Missstände und die Hauptverantwortlichen beim Namen nennt
Blocher kündigt an, dass die SVP eine Volksinitiative für
ein allgemeines Finanzreferendum lancieren werde, falls die SPS einen
weiteren Anlauf für die Einführung eines Rüstungsreferendums unternehmen
sollte. SPS-Präsident Helmut Hubacher hat damit gedroht, denn nach der
misslungenen Armeeabschaffung 1989 geht es der Linken darum, die
Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs F/A-18 zu verhindern.
Die Warnung Blochers zielt darauf ab, dass mit einem
allgemeinen Finanzreferendum auch die "Lieblingskinder" der SPS,
insbesondere die Entwicklungshilfe und die immer höheren Aufwendungen
für das Asylwesen, der obligatorischen Volksabstimmung unterstellt würden.
Und das fürchtet die Linke wie der Teufel das Weihwasser.
Im Weiteren fordert Christoph Blocher in Anbetracht des Umbruchs
in Europa (nach dem Mauerfall vom 9.11.1989): "Es ist nun eine ernsthafte,
vertiefte sicherheitspolitische Standortbestimmung vorzunehmen - eine
gründliche Analyse der künftigen Bedrohungslage, aber auch eine gründliche
innenpolitische Analyse. Dabei hat man sich nicht auf oberflächliche,
läppische Meinungsumfragen abzustützen." Zentral seien der Auftrag
der Armee und die dafür nötigen Mittel. "Es müssen verschiedene
sich unterscheidende sicherheitspolitische Konzeptionen für unser
Land entworfen werden - und ihre Vor- und Nachteile sind in aller
Öffentlichkeit zu diskutieren." Dies mit dem Ziel, schlussendlich
eine überzeugende, breit abgestützte (neue) Konzeption unserer
Landesverteidigung und unserer Sicherheitspolitik zu haben.
Leider haben sich die militärisch Verantwortlichen und
die Politiker in der Folge nicht oder nur rudimentär an diese klaren
Forderungen gehalten. Nach immer wieder neuen und überstürzten
"Reformen" - Armee 95, Entwicklungsschritt 08/11, Armee XXI und WEA
(Weiterentwicklung der Armee) - kann die heutige Rest-Armee ihren
Verfassungsauftrag "Verteidigung" nicht erfüllen. Es muss darum
alles getan werden, um unsere Armee auf dem Sockel der WEA wieder
zur Verteidigungsfähigkeit, auch gegenüber modernen Bedrohungen,
auszubauen.
Schon bald folgt am 24. Februar 1990 die nächste Grossveranstaltung
"Umbruch in Europa" im Casino Zürichhorn (heute "Lakeside") mit den
Referenten Heiner Geissler, Mitglied des Deutschen Bundestages und
Bundesminister a.D., Wolfgang Berghofer, Oberbürgermeister von Dresden,
sowie Prof. Dr. Kurt Spillmann, Leiter der Forschungsstelle für
Sicherheitspolitik und Konfliktforschung der ETH. Der Andrang ist mit
über 1100 Personen enorm. Zum Glück haben wir vorgesorgt und eine
Video-Übertragung in den unteren Stock organisiert; dennoch müssen
viele Besucher abgewiesen werden.
An der Veranstaltung wird klar: Es gibt in Osteuropa keine
taugliche Alternative zu Demokratie und Marktwirtschaft. Und in der Tat
bricht der Sozialismus mit dem Zerfall der Sowjetunion bald definitiv
zusammen. Niemand, der im Zürichhorn dabei war, wird wohl das Bekenntnis
des SED-Mannes Wolfgang Berghofer vergessen, der einleitend meinte:
" Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich zuerst einen persönlichen
Schrotthaufen wegräume. Man hat uns seinerzeit in der DDR unablässig die
Vorzüge des Sozialismus gepredigt und gesagt, viele Arbeiter müssten
im kapitalistischen Westdeutschland in Erdhöhlen dahinvegetieren.
1964 kam ich dann mit der SED-Jugendorganisation erstmals in den Westen
nach Essen - und ich sah blühende Stadt!" Zudem betont er, die Verhältnisse
änderten derzeit nach dem Mauerfall derart rasch, dass man sagen könne:
"Das Wort veraltet im Mund!"
(Fortsetzung folgt)