Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant
Teil 17 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver PolitikNach den Regierungsrats- und Kantonsratswahlen vom Frühjahr 1991
stehen schon bald die Nationalrats- und Ständeratswahlen vor der Tür.
Die Nationalräte Konrad Basler, Hans-Ulrich Graf und Rudolf Reichling
teilen der Parteileitung mit, dass sie im Herbst nicht mehr kandidieren
werden, um jüngeren Kräften Platz zu machen. Erneut antreten werden
Christoph Blocher, Willi Neuenschwander und Walter Frey.
An einer denkwürdigen Delegiertenversammlung mit 300 Teilnehmern fällt der Beschluss,
dass die Zürcher SVP im Herbst (wieder) einen Ständeratssitz erobern und mit
zwei Listen für die Nationalratswahlen antreten will. Letzteres kostet zwar
im grossen (und damals noch zeitungsreichen Kanton Zürich) viel Geld,
erlaubt aber gleichzeitig, dass doppelt so viele Kandidaten mit ihrem
Stimmenpotential antreten können. Der Kanton wird aufgeteilt in die
Liste "WEST" mit den Regionen Zürich-Limmattal, Unterland, Säuliamt
bis See, angeführt von Walter Frey, und in die Liste "OST" mit den
Regionen Winterthur/Weinland, Oberland bis See, angeführt von Christoph Blocher.
Christoph Blocher stimmt die Versammlung mit einer Brandrede auf die
kommenden nationalen Wahlen ein: "Nachdem die SVP zweitstärkste Partei
geworden ist und 5'000 neue Wählerinnen und Wähler gewonnen hat,
gilt es nun, dem Vertrauen des Volkes gerecht zu werden. Der
Kampf für bessere Zustände in der Asylpolitik, in der Drogenfrage,
für eine bessere Situation im Boden- und Wohnungsbereich, für
eine starke Wirtschaft, sichere Arbeitsplätze und sichere Renten
ist mit aller Energie weiterzuführen!" Gleichzeitig müsse der
Überreglementiererei, der zunehmenden Bürokratie und der
Wirtschaftsfeindlichkeit der rot-grünen Kreise die Stirn
geboten werden. Scharf verurteilt Blocher zudem die EG-Phantasten,
die den Beitritt predigten, was wesentliche Einbussen an
Föderalismus, Volksrechten, Einkommen und Wohlstand zur Folge hätte.
Natürlich feiern wir als SVP des Kantons Zürich trotz aller
Wahlvorbereitungen auch die 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft
gebührend, und zwar am 14. September 1991, auf dem Vorderen
Pfannenstiel ob Meilen. Wir sind uns der Bedeutung des Anlasses
bewusst. 700 Jahre Eidgenossenschaft sind keine Selbstverständlichkeit.
In der Einladung an alle Parteimitglieder und -Sympathisanten steht:
"Unser Land hat in seiner 700-jährigen Geschichte Höhen und Tiefen
erlebt. Bedrohungen von aussen, innere Zwistigkeiten und gar
Bruderkriege blieben der Schweiz nicht erspart. Umso mehr wollen
wir dieses Ereignis würdig feiern - als Anlass der Dankbarkeit,
der Freude und der Besinnung."
Der Grossanlass mit Ansprachen von Christoph Blocher und alt Bundesrat
Leon Schlumpf, mit Landeshymne und Festakt, Darbietungen von Vereinen
und musikalischen Einlagen, sowie verschiedenen Attraktionen für Kinder
und Erwachsene wird zu einer eindrücklichen Manifestation für unsere
Heimat - und schliesslich zu einem fröhlichen Fest. Parallel dazu
kommen im Parteiorgan "Der Zürcher Bote" und im "Zürcher Bauer"
bekannte Persönlichkeiten zum Thema "700 Jahre Eidgenossenschaft"
zu Wort: So Professor Dr. Rolf Dubs, Rektor der Hochschule St.
Gallen; Dr. Heinrich Rohr, Historiker aus Brugg; Bundespräsident
Flavio Cotti; alt Bundesrat Georges-André Chevallaz;
Uno-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar (zum Thema "Die Schweiz
als dreifaches Wunder") - und sogar Professor Dr. Georg Kreis von
der Universität Basel, der sich - damals noch nicht im Sog der
Bergier-Kommission - kompetent zum Thema "Lebendiger Wilhelm Tell" äussert.
Anfang August 1991 lässt die Parteispitze die politische "Bombe"
platzen: Werner Vetterli hat sich bereit erklärt, für den Ständerat
zu kandidieren. Auch Regierungsrat Hans Hofmann ist von der Partei
für dieses wichtige Amt an vorderster Stelle in Erwägung gezogen
worden. Er erteilt uns aber schliesslich eine Absage mit folgender
Begründung: "Die gründliche und seriöse Wahrnehmung meiner
Amtspflichten im Zürcher Regierungsrat verbietet eine solche
Doppelbelastung. Die heutige Geschäftslast, sowohl in der
kantonalen Exekutive als auch in den eidgenössischen Räten,
zwingen einen zürcherischen Regierungsrat, sich auf ein Mandat
zu konzentrieren. Es wäre nicht zu verantworten, wenn - sei es
im Regierungsrat oder im Ständerat - bei der Gründlichkeit der
Erledigung Abstriche gemacht werden müssten." Die Absage fällt
Hans Hofmann umso leichter, als er von der Kandidatur
Vetterli von Anfang an überzeugt gewesen ist.
Werner Vetterli, *1929 und aufgewachsen in Stäfa, ist ein Glücksfall.
Der national bekannte Radio- und Fernsehmann, ursprünglich Lehrer,
war von 1971-88 Produzent und Redaktor für Grossreportagen, u.a.
der bekannten Sendereihe "Heute abend in", sowie verantwortlich für
die Liveübertragungen der wichtigsten Grossanlässe zu "700 Jahren
Eidgenossenschaft". So hat er sich ein vertieftes Wissen über das
Wesen der Schweiz und ihrer besonderen politischen Struktur angeeignet,
und er hat eine grundsolide bürgerliche Gesinnung. Zudem ist er in
Sportkreisen bestens bekannt als aktiver Sportler und grosser Förderer
des Gesundheits- und Breitensports. Vetterli hat rund 20
Schweizermeistertitel im Modernen Fünfkampf, im Wintermehrkampf und
im Schwimmen gewonnen. 1954 war er Vizeweltmeister im Modernen Fünfkampf.
Damit ist Werner Vetterli zweifellos der ideale Standesvertreter für den
Kantons Zürich. Und er ist der ideale Kandidat, um gegen Monika Weber,
LdU, und SP-Kandidat Elmar Ledergerber anzutreten. Dies umso mehr,
als die LdU-Frau und der SP-Mann die politischen Kräfteverhältnisse
im Kanton Zürich in keiner Weise mehr "abbilden": Der Landesring ist
bei den Kantonsratswahlen praktisch eliminiert worden, und Monika Weber
hat als designierte Migros-Direktorin keinerlei "Erbansprüche" mehr.
Ebenso wäre dem Wirtschaftskanton Zürich mit einem Standesvertreter
Ledergerber schlecht gedient, dessen planwirtschaftliche,
staatsinterventionistische Politik hinlänglich bekannt ist.
Am 2. September 1991 stellt sich Werner Vetterli zusammen mit Parteipräsident
Christoph Blocher und mir als Parteisekretär auf einer Schifffahrt
auf der Limmat und dem Zürichsee der Presse. Eloquent gibt Vetterli
seine Ziele bekannt. Er räumt ein, parteipolitisch unerfahren und
"unverdorben" zu sein, dafür aber sehr viel praktische politische
Erfahrung zu besitzen. So meint er: "Die von mir (bei den "Heute
abend in"-Sendungen) ausgewählten Themen waren durchwegs politisch:
21 mal behandelten wir Verkehrsfragen, 10 mal Wirtschaftsthemen
(Milchpreis bis Maschinenindustrie), 9 mal Ökologie (Hochmoor bis
Sondermüll), 9 mal Tourismus, 9 mal Sozialfragen (u.a. Drogen),
6 mal Militär (Waffenplätze/Zivilschutz), 5 mal Wohnprobleme sowie
emotionale "Bauchthemen" (Tierversuche, Strafvollzug, Fahrende)."
An eine "Heute abend in"-Sendung zur umstrittenen Autobahn-Linienführung
im Säuliamt erinnere ich mich ganz besonders. Fredy Kradolfer, mein
Vorgänger als Parteisekretär und ein begnadeter Kolumnist, damals
in Bonstetten wohnhaft und mit einer Bauerntochter verheiratet,
kam bei dieser Sendung zu Wort. Von Werner Vetterli (den er stets
liebevoll "de Vetter Wernerli" nannte) gefragt, was er von einer
offenen Linienführung halte, rief Kradolfer voller Emotionen aus: Wänn
i nu scho dra tänke, dass det, wo mir jetzt amig Chorn ernted, bald
selled Auto durerase, dänn chani nümme!" (Bekanntlich wurde dann
ja der Iselisberg-Tunnel gebaut.)
Und so ziehen im Hinblick auf die Ständeratswahlen vom 20. Oktober 1991
die zwei "Gespanne" Werner Vetterli/Rico Jagmetti gegen Monika
Weber/Elmar Ledergerber in den Kampf. Unser Wahlziel: Zwei bürgerliche
Ständeräte! Wie es herauskam, erfahren Sie das nächste Mal.
(Fortsetzung folgt)