Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der SVP

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Teil 3 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

23. Oktober 1985. Es ist soweit: Wir reichen die kantonale Volksinitiative zur Abschaffung der Billettsteuer mit 12'551 Unterschriften (10'000 sind notwendig) ein. Und dies in einem würdigen Rahmen: Mit Pferdefuhrwerken überbringen Vereinsvertreter, Trachtenfrauen, Vertreter von Musik- und Sportvereinen - die Unterschriften zur Staatskanzlei. Neben der Sportkommission sind auch bekannte Spitzensportler und Politiker mit von der Partie: Der Ex-Internationale Köbi Kuhn, die Internationalen des Grasshopper-Clubs Andy Egli (Captain) und Claudio Sulser, die Nationalliga-Eishockeyspieler Urs Bertschi, Marcel Wick und Peter Schlagenhauf, sowie Fraktionspräsident Dr. Hansjörg Frei.

Damit ist ein erster Schritt zur Abschaffung dieser unsinnigen, vereinsfeindlichen Steuer getan. Nach der Einreichung der Unterschriften stellen Regierung und Kantonsrat der Initiative einen "halbbatzigen" Gegenvorschlag gegenüber. Der Entscheid über Initiative oder Gegenvorschlag fällt an der Volksabstimmung vom 5. März 1989.

Pikant in dieser Situation: Ausgerechnet unser hochangesehener SVP-Finanzdirektor Jakob Stucki ist der oberste Verfechter des Gegenvorschlags. Kurz vor der Volksabstimmung schreibt er persönlich alle Medien im Kanton Zürich an und plädiert vehement für den Gegenvorschlag. In einer Anwandlung von Wut und Frust greife ich zu einem eher ungewöhnlichen Mittel. Ich telefoniere etlichen Journalisten von Zeitungs- und Radioredaktionen, die ich persönlich kenne und sage ihnen, dass ich eine "streng vertrauliche" Mitteilung hätte: "Sie haben gestern oder heute eine persönliche Stellungnahme vom Finanzdirektor erhalten. Er plädiert darin für den Gegenvorschlag zur Billettsteuer-Abschaffung - im Widerspruch zur Parteilinie und gegen die Interessen tausender Vereine. Es steht mir nicht zu, Ihnen eine Empfehlung zu machen - aber Sie haben ja sicher einen soliden Papierkorb auf der Redaktion."

Das war ungewöhnlich bis frech, aber erfolgreich. Und das Entscheidende: Kaum eine Zeitung druckt den regierungsrätlichen Artikel ab. Irgendwie bekommt dann Jakob Stucki doch noch Wind von meiner Aktion und spricht Christoph Blocher darauf an. Die Sache verläuft dann aber auf wundersame Weise im Sand.

Mit dem Ja des Volkes am 5. März 1989 zur Volksinitiative ist endlich ein klarer Grundsatzentscheid gefällt. Die Billettsteuer ist aber damit noch nicht "erledigt" - denn es braucht bei einer Volksinitiative ein zweistufiges Verfahren. Zuerst muss der Kantonsrat eine Gesetzesvorlage ausformulieren und verabschieden - und diese wird am 10. Juni 1990, nach einem weiteren Abstimmungskampf, vom Zürcher Volk mit grossem Mehr gutgeheissen. Nachdem noch die Abstimmung über eine zweite Volksinitiative ("gegen den Wildwuchs von Spielsalons und Geldspielapparaten" stattgefunden hat, setzt der Regierungsrat die Gesetzes-Vorlage zur Abschaffung der Billettsteuer auf den 1. Februar 1991 endlich in Kraft.

Politische Prozesse dauern mitunter lange - aber das Ziel ist nach Jahren intensiver Arbeit endlich erreicht, und wir feiern es im Kreis der Sportkommission mit einer gehörigen Flasche Schämpis. Einmal mehr hat der ehemalige SVP-Bundesrat Rudolf Gnägi Recht mit seiner Feststellung: "Politik ist eine beharrliche Dauerleistung." Leider geht das in der heutigen Twitter-, Facebook- und WhatsApp-Manie oft vergessen. Vor allem jüngere Politiker glauben, mit etwas Twittern sei ihr Auftrag erfüllt.

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Im Lauf des Jahres 1985 fliegen die gesellschafts- und parteipolitischen Fetzen wegen des neuen Eherechts auch innerhalb unserer Partei. Es geht im Wesentlichen darum, ob künftig dem Richter eine dominierende Rolle bei strapazierten ehelichen Verhältnissen zukommen soll. Am 3. September 1985 kommt es an der kantonalen Delegiertenversammlung in Nürensdorf vor 369 Delegierten zum Schlagabtausch zwischen Grete Brändli, Samstagern, Präsidentin der SVP-Frauenkommission, und Parteipräsident Christoph Blocher. Brändli plädiert für das neue Eherecht, weil sich seit Inkraftsetzung des Zivilgesetzbuches vor rund 70 Jahren eine "grundlegende Änderung" in der gesellschaftlichen Stellung der Frau vollzogen habe. Als positiv und fortschrittlich nennt sie insbesondere die neuen Artikel über die Bestimmung der ehelichen Wohnung, über den Abschluss von Rechtsgeschäften und über die sogenannte Errungschaftsbeteiligung, den neuen ordentlichen Güterstand.

In seiner (gemäss Medienberichten) "schonungslosen" Analyse räumt Blocher ein, gegen das geltende Eherecht könnten zwar durchaus die sieben Mängel vorgebracht werden, die man immer wieder höre. "Das neue Eherecht ist hingegen mit 77 Mängeln behaftet und beruht auf einer höchst verwerflichen Grundlage: Es ist familienfeindlich, ehefeindlich und kinderfeindlich - und es bereitet Selbständigerwerbenden grösste Schwierigkeiten." Das ganze Gesetz diene nur der Selbstverwirklichung der einzelnen Ehegatten, statt die Gemeinschaft zu betonen. Und es mache den Richter zum Haupt der Familie!"

Diese Botschaft sitzt. Mit 264 Nein: 59 Ja schicken die Zürcher SVP-Delegierten das neue Eherecht bachab. Im Abstimmungskampf bringt es der begnadete Werbefachmann Hans Ruedi Abächerli einmal mehr plakativ auf den Punkt: Im Ehebett zwischen den Eheleuten trohnt unübersehbar und dominant der Richter. Obwohl nur zwei SVP-Kantonalparteien, jene von Bern und Graubünden, für das neue Eherecht votieren, fassen die Delegierten der SVP Schweiz, offensichtlich beeinflusst von den "Partei-Eliten" zu Bern, die Ja-Parole. Fredy Kradolfer ärgert sich in seiner Kolumne im "Zürcher Boten" zurecht über diese "arrogante Geringschätzung der Kantonalparteien" und des Föderalismus. Und er kritisiert scharf, dass die Parteigeneräle zu Bern, damals noch auf "Öffnungskurs", tüchtig an der Basis vorbei politisiert hätten.

Dennoch: Am 22. September 1985 stimmen die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem neuen Eherecht mit 922'000 Ja gegen 763'000 Nein zu. Ob zum Wohl der Ehe, der Familien und der Kinder - das bleibe dahingestellt.
(Fortsetzung folgt)

Hans Fehr