Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant
Teil 33 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver PolitikNeben meiner Wahl auf der SVP-"Westliste" wird bei den Nationalratswahlen
vom 22. Oktober 1995 (wie früher erwähnt) auch Ulrich Schlüer auf der
"Ostliste" neu gewählt. Als Gemeindepräsident von Flaach schreibt er
nebenher noch regelmässig Kolumnen unter dem Logo "Em Presi sini Meinig".
Anfang Dezember nimmt er die staatliche Abfall-Bürokratie treffsicher ins
Visier. Seine Gemeinde, wie andere auch, haben für "Sonderabfälle", soweit
sie nicht im seinerzeitigen Verkaufsgeschäft zurückgegeben werden können
- wie nicht mehr benötigte Medikamente, Reste von Farben und dergleichen
- längst einen Entsorgungsdienst für sensible Stoffe organisiert, zum
Beispiel periodische Sammlungen. Aufgrund einer Rechnung der
Gemeindeverwaltung ist diese fachgerechte Entsorgung äusserst günstig.
Schlüer kritisiert nun, dass diese günstige und sinnvolle Sonderabfall-
Entsorgung in Zukunft nicht mehr stattfinden dürfe: "Es gibt in unserem Kanton Leute,
die von der ‚Abfall-Lawine' nicht mehr loszukommen scheinen und die nach zentral
überwachter und zentral organisierter Entsorgung rufen. Sie behaupten, die Gemeinden
seine diesbezüglich überfordert."
Weil sich diese Bürokraten durchgesetzt haben, wird nun ab 1996 die
Sonderabfall-Entsorgung kantonal vereinheitlicht und reglementiert. Und dies
natürlich nicht gratis; es wird eigens eine neue Gebühr, die Sondermüll-
Entsorgungsgebühr, geschaffen. Und die "Flaacher Rechnung" zeigt: Was die
Gemeinde bislang 850 Franken pro Jahr gekostet hat, kostet nun rund 7'000 Franken.
Das ist ein Aufschlag von 800 Prozent. Wenn auch kein riesiger Betrag: Der
Steuerzahler hat künftig einen hohen Tribut zu leisten - nicht an die Entsorgung,
sondern an die Bürokratie. Schlüer wird weiterhin noch etliche ähnliche Missstände
anprangern - und damit manchem hohen Beamtenbürokraten in Zürich den Schlaf rauben,
weil dieser damit rechnen muss, vielleicht schon in der nächsten Kolumne zur
Zielscheibe des "Presi" zu werden.
Gegen Ende 1995 läuft die Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die
Einführung von zehn neuen Staatssekretären (im Rahmen der Revision des Regierungs-
und Verwaltungsorganisationsgesetzes RVOG auf Hochtouren. Immer wieder ist in
Bundesbern gejammert worden, die Bundesräte seien völlig überlastet und hätten
keine Zeit, sich mit "strategischen Fragen" zu befassen. Als eine Art Superbeamte
sollen die zehn "Schattenbundesräte" den Bundesrat entlasten und ihn gewissermassen
gegen die Verwaltung und das Parlament sowie gegen aussen abschirmen.
Wir bekämpfen diese verfehlte Vorlage von Seiten der Partei und im Rahmen eines
überparteilichen Komitees vehement und setzen alles daran, dass die Vorlage vor das
Volk kommt und abgelehnt wird. Denn mit den Staatssekretären würde neben dem Volk,
dem Parlament und dem Bundesrat eine diffuse vierte Führungsebene geschaffen, und
die Verantwortlichkeiten würden verwischt. Zudem würden die Staatssekretäre vom
Bundesrat ernannt und hätten somit keine Legitimation durch das Volk. Und die
Bundesräte würden nur noch bei sogenannt wichtigen Geschäften an den
Kommissionssitzungen teilnehmen, was immer das heisst.
Es ist für uns ist es keine Frage: Auf der Stufe Bundesrat - dem höchsten
politischen Amt, das die Schweiz zu vergeben hat, ist "man" nicht überlastet.
Man führt sich selbst und organisiert sich so, dass man Wichtigeres von weniger
Wichtigem trennt. Und es ist typisch: Jene Bundesratsmitglieder, die am meisten von
Überlastung klagen, haben offensichtlich sehr viel Zeit, ohne Notwendigkeit immer
wieder ins Ausland zu reisen und an irgendwelchen Konferenzen teilzunehmen statt
ihre Departemente zu führen.
Schliesslich wird die Vorlage am 9. Juni 1996 mit rund 60 Prozent Nein- gegen 40 Prozent Ja-Stimmen klar abgelehnt. Und das ist gut so. Denn jede Verwässerung der Verantwortlichkeiten ist des Teufels und schadet der direkten Demokratie. Das gilt auch heute.
In meiner ersten Nationalratssession fungiert der ehemalige SP-Präsident Helmut Hubacher als Alterspräsident, und er darf die übliche Ansprache zur Eröffnung der Wintersession halten. Er missbraucht jedoch sein kurzlebiges Amt als "höchster Schweizer", schlägt die Werbetrommel für einen EU-Beitritt unseres Landes und tischt einmal mehr die Mär von der "isolierten" Schweiz auf, die sich ins Abseits bewege.
Hubacher ist inzwischen wohl "altersweiser" geworden. Nach dem Nein zum EWR und in Anbetracht der Erfolgsgeschichte der selbstbestimmten Schweiz hat er seine EU-Begeisterung etwas abgebaut. Mindestens weisen seine gelegentlichen Beiträge in der "Basler Zeitung", die ich durchaus schätze, in diese Richtung. Ich wünsche ihm persönlich auf jeden Fall alles Gute.
(Fortsetzung folgt)