Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant
Teil 5 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver PolitikIm Laufe des Sommers 1987 gibt Regierungsrat Konrad Gisler
aus Flaach bekannt, dass er im Frühjahr 1987 nach 10-jähriger
Amtszeit zurücktreten werde. Als mögliche Nachfolger werden
von ihren Bezirksparteien vier Kandidaten nominiert: Carl Bertschinger,
Pfäffikon; Heinrich Grob, Uster; Hans Hofmann, Horgen; sowie
Rolf Siegenthaler, Zürich. Der Parteivorstand beantragt
einen Zweiervorschlag mit Hans Hofmann und Rolf Siegenthaler
- also mit einem Kandidaten vom Land und einem aus der Stadt.
Die Delegiertenversammlung vom 27. Oktober 1986 entscheidet
sich schliesslich mit 292 gegen 105 Stimmen für Hans Hofmann.
Kernpunkt der Wahlwerbung für Hofmann ist seine Führungserfahrung und
Führungsstärke, die Hans Rudolf Abächerli, der geniale Werbefachmann
und "Weltmeister des Konzepts", gekonnt herausstreicht: Hofmann ist
ein hervorragender Schulpräsident, er hat etliche Jahre die
Nestlé-Druckerei in der Romandie mit über 100 Mitarbeitern geführt
und er hat auch die "Wasserballer Horgen I" zum Erfolg geführt.
Natürlich wird das in der Kampagne erwähnt. Abächerli kreirt
zudem ein Sujet, das den Bauernsohn Hofmann als Buben zeigt, wie er
Jungvieh auf die Weide führt - mit der Aussage: "Hans Hofmann hat
das Führen schon früh gelernt!"
Vierzehn Tage vor dem Wahltag vom 5. April 1987 scheint Hofmanns Wahl
gefährdet, die Linke mit Elmar Ledergerber ist laut Umfragen im Aufwind.
Da greift Karl Lüönd, Chefredaktor der "Züri-Woche" zu einem besonderen
Mittel: Auf der Frontseite prangt grossformatig ein Foto, das Hofmann
bei "Jungvieh-Führen" zeigt. Und darunter steht in grossen Lettern:
" Hans Hofmann wird seine Führungsfähigkeit wohl weiterhin beim Jungvieh
zeigen müssen." Die Reaktionen aus der SVP folgen sofort - vor allem
Kopfschütteln und Wut. "Spinnt dieser Lüönd eigentlich? Was hat er nur
gegen Hans Hofmann?"
Nicht von alledem. Lüönd hat mit Risiko, aber sehr genau kalkuliert:
Wie von ihm erwartet, geht ein Ruck durch unsere Parteibasis und weitere
bürgerliche Wähler - mit dem Effekt, dass unsere Wählerinnen und Wähler
enorm für den Urnengang mobilisiert werden - beseelt von einem Ziel:
Hofmanns Wahl muss gelingen. Jetzt erst recht!
Zusätzlich mache ich als Parteisekretär innert drei Tagen rund 170 Telefone
an alle SVP-Sektionspräsidenten. Meine Botschaft: "Die neuesten Umfragen
sind dramatisch. Hans Hofmann wird wohl knapp scheitern. Ich bitte Sie
eindringlich: Sorgen Sie dafür, dass jedes Ihrer Vorstandsmitglieder
persönlich fünf Leute aus seinem Bekanntenkreis zusätzlich an die Urne
"bewegt". Nur so können wir gewinnen!"
Hans Hofmann wird am 5. April 1987 zu unserer Freude mit klarem
Vorsprung auf den SP-Kandidaten Ledergerber gewählt. Und er wird ein
ausgezeichneter Regierungsrat. Das "Komitee für die bürgerliche
Fünferliste" mit Hans Hofmann, Eric Honegger, Hans Künzi, Jakob Stucki
und Peter Wiederkehr hat seine Stärke bewiesen. Auch der legendäre
LdU-Mann Alfred Gilgen schafft die Wiederwahl, ebenso als einzige
Linke die SP-Frau Hedi Lang. Leider verliert das bürgerliche Lager
in der Folge wegen kleinlichem Parteigärtchen-Denken (vor allem bei
der FDP) an Stosskraft. Lachende Dritte sind in der Regel die Rot-Grünen.
Im Frühsommer 1987 laufen die Vorbereitungen für die Nationalrats-
und Ständeratswahlen im Herbst bereits auf vollen Touren. Für die
Medien steht vor allem die Frage im Raum: Wird Jakob Stucki als
Ständerat zurücktreten? Wir von der Parteispitze wissen natürlich
bereits Bescheid: Stucki wird zurücktreten, um sich in Anbetracht
der massiv gestiegenen Geschäftslast ganz seinem Regierungsratsamt
widmen zu können. Eine Doppelbelastung hält er für nicht mehr verantwortbar.
Aus taktischen Gründen (Überraschung) wird aber über den geplanten
Rücktritt noch nichts verlautbart. Die zeitlichen Abläufe (Bekanntgabe
des Rücktritts, Entscheide der Parteigremien, Medieninformationen)
sind bereits festgelegt. Selbstverständlich erheben wir wieder
Anspruch auf den Sitz im Stöckli.
Aber wir haben nicht mit der Beharrlichkeit von Wilfried Maurer, dem
versierten Regionalredaktor und Kantonsratsberichterstatter des
Tagesanzeigers, gerechnet. Mit seiner besonderen Menschenkenntnis
und Schlauheit gelingt es ihm mit beharrlichem Vortasten, mir die
Würmer aus der Nase zu ziehen: Weil mich die ganze Geheimnistuerei
ohnehin etwas nervt, mache ich schlussendlich eine Andeutung, dass
Stucki auf Ende der Amtsdauer "nach meiner Einschätzung vermutlich
zurücktreten" werde. Ich versuche sofort zu relativieren, aber zu
spät: Der schlaue Fuchs wittert sofort die richtige Fährte, und am
nächsten Tag steht unter "Gesehen und gehört" unter Bezugnahme auf
den Parteisekretär, dass der Rücktritt von Stucki praktisch Tatsache sei.
Von Christoph Blocher höre ich als "Schuldiger" nicht ein einziges
Wort der Kritik. Er sage lediglich, wir müssten aufgrund der neuen
Lage die Terminplanung anpassen und den Zeitplan verkürzen. Etwas
später gibt er mir nebenbei freundschaftlich den Rat: " Nimm Dir
ein Beispiel an Jakob Stucki. Alle Journalisten wollten ihm in den
vergangenen Monaten in der Wandelhalle wissen, ob er zurücktritt.
Aber Stucki kann in solchen Situationen ein derart abweisendes Gesicht
machen, dass kein Journalist es wagt, ihm die brennende Frage auch
nur zu stellen." In der Tat: Man lernt nie aus.
Genau eine Woche nach der Bekanntgabe von Jakob Stuckis Rücktritt
gibt eine Findungskommission der SVP unter dem Vorsitz von Stucki
bekannt, dass Christoph Blocher als Ständeratskandidat vorgeschlagen
werde.
(Fortsetzung folgt)