Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Damals in der SVP

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Teil 9 meiner Erlebnisse aus 35 Jahren aktiver Politik

Nach der Wahl von Adolf Ogi zum Bundesrat muss Anfang 1988 ein neuer Parteipräsident für die SVP Schweiz gefunden werden. Naturgemäss ist das anspruchsvolle Ehrenamt nicht sonderlich begehrt. Wenn es gut läuft und man Wahlen und Abstimmungen gewinnt, hat der Erfolg bekanntlich viele Väter. Andernfalls wird vor allem der Parteipräsident für den Misserfolg verantwortlich gemacht.

Offensichtlich ist der Andrang von Kandidaten im aktuellen Fall nicht allzu gross. Im Leitartikel des Parteiorgans "Der Zürcher Bote" wird Mitte Januar kritisch angemerkt: "An der Delegiertenversammlung vom 23. Januar (also bereits eine Woche später) ist ein neuer Parteipräsident zu wählen. Bis jetzt ist zu diesem Traktandum allerdings nicht mehr bekannt, als dass ein Gremium unter dem Vorsitz von alt Bundesrat Dr. Leon Schlumpf sich um einen Vorschlag bemüht."

Das tönt nicht gerade verheissungsvoll. Der Leitartikel nennt dann verschiedene Kriterien, die der neue Präsident (von einer Präsidentin ist damals nicht die Rede) erfüllen müsse. Als zentral - und wenig überraschend - fordert der Verfasser: "Die Partei muss politisch geführt werden! Es kann heute nicht mehr genügen, auf den Stuhl des Parteipräsidenten eine Figur zu setzen, die es allen recht machen und niemanden verärgern will. Sogenannte ‚Integrationsfiguren' laufen Gefahr, zu eigentlichen ‚Unpersönlichkeiten' ohne Profil zu werden." Also komme nur eine mediengewandte Person mit grosser Führungserfahrung in Frage. Der Artikel schliesst wie folgt: "Christoph Blocher erfüllt diese Kriterien am besten. Wenn es gelingt, ihn davon zu überzeugen, dass er im Moment die mit Abstand beste Lösung für dieses Personalproblem darstellt, wird er sich dieser Aufgabe nicht entziehen."

Gewählt, und zwar einstimmig, wird dann jedoch der Thurgauer Hans Uhlmann: Als Ständerat, Landwirt, Oberrichter, SVP-Kantonalpräsident und Präsident des Schweizerischen Verbandes für Landtechnik habe er beste Voraussetzungen für den Parteipräsidentenposten, wird argumentiert. Christoph Blocher, der sich trotz dem erwähnten Artikel nicht zur Verfügung stellt (wohl um seine Kräfte auf kommende grosse Aufgaben konzentrieren zu können, die sich bereits am Horizont abzeichnen) empfiehlt Uhlmann den Delegierten mit den folgenden Worten: "Es ist sonst nicht meine Art, Vorschusslorbeeren zu verteilen, aber Hans Uhlmann hat alle Voraussetzungen, um ein guter Präsident zu werden. Auch dass er das Amt nicht gesucht hat, sondern sich erst auf Drängen von aussen bereit erklärt hat, diese Pflicht zu übernehmen, spricht für ihn. Es geht Hans Uhlmann nicht darum, sich ins Rampenlicht zu stellen, es geht ihm um die Sache!"

Diese Beurteilung erweist sich als richtig. Uhlmann wird ein Präsident, der sein Amt während acht Jahren erfolgreich ausübt - unaufgeregt aber konsequent und bürgernah, und oft mit Humor und Bauernschläue - bis dann im Januar 1996 Ueli Maurer das Szepter übernimmt.

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Am Mittwoch, dem 2. März 1988, schlägt im Bundeshaus die Ankündigung einer Motion zum geplanten Kernkraftwerk Kaiseraugst wie eine Bombe ein: Blocher als "Vater" der Motion und seine bürgerlichen Mitstreiter - u .a. die Ständeräte Hans Uhlmann (SVP) und Jakob Schönenberger (CVP) sowie Nationalrat Ulrich Bremi (FDP) - wollen das umstrittene Projekt, das die Energiepolitik seit etlichen Jahren blockiert, "schicklich beerdigen". Sie begründen die Verzichtforderung damit, dass trotz erteilter Standort- und Rahmenbewilligung für das KKW eine zeitgerechte Verwirklichung "aus politischen, staatsbürgerlichen und gesellschaftlichen Gründen praktisch unmöglich geworden" sei, und dass die KKW Kaiseraugst AG für die im Verlauf von 20 Jahren angefallenen Kosten nicht einzustehen habe. Diese seien durch Verzögerungen auf der politischen Ebene entstanden, für welche sie keine Verantwortung trage. Eine Realisierung könne auf Jahre hinaus nicht erfolgen, und die Kosten würden bald von heute 1,2 Milliarden Franken auf rund 2 Milliarden ansteigen, was nicht verantwortbar sei. Weiter hielten die Motionäre ausdrücklich fest, dass dennoch "die Massnahmen für eine zukunftssichernde Energiepolitik, in der die Kernenergie als Option offen bleibt", mit Nachdruck weiterzuführen sei.

Diese Motion, die dann in den Räten auch "durchkommt" - der Bund entschädigt die KKW Kaiseraugst AG mit 350 Millionen Franken - ist ohne Zweifel ein Paradebeispiel für politische Effizienz. Trotz anfänglich massiver Kritik hat sich die mutige, unkonventionelle Art der Motionäre, ein drängendes Problem anzupacken und eine Deblockierung in der Energiepolitik herbeizuführen, als richtig erwiesen. (Was die heutige sogenannte "Energiewende" daraus gemacht hat oder noch machen wird, steht auf einem andern Blatt.)

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Ebenfalls im März 1988 publiziere ich in verschiedenen Zeitungen einen Artikel mit dem Titel "Sicherheit und Wohlfahrt statt Existenzangst!" und halte darin als Fazit fest: "Die SVP wird ihre Arbeit weiterhin auf die Erhaltung und Stärkung unserer freiheitlichen föderalistischen Staatsordnung ausrichten. Sie wird es niemals zulassen, dass die Bürgerrechte, die Sicherheit und die eigene Entscheidungsfreiheit preisgegeben werden." Diese Aussagen sind auch heute von brennender Aktualität - man denke an die Selbstbestimmungsinitiative, an den (nicht umgesetzten) Volksentscheid gegen die Masseneinwanderung, an den Rahmenvertrag Schweiz-EU und an den UNO-Migrationspakt!

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Im Lauf des Jahres 1988 sind die Themen "Eigentum, (bäuerliches) Bodenrecht, Raumplanung" der zentrale politische "Renner". Die Auseinandersetzung gipfelt in der sogenannten "Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation", die am 4. Dezember nach heftigen politischen Auseinandersetzungen wuchtig abgelehnt wird. Der Initiativtext besagt zwar einleitend "Das Eigentum ist gewährleistet". Dann aber folgen einschneidende Massnahmen, die das bestehende Bodenrecht radikal umgekrempelt hätten, wie: "Grundstücke dürfen nur zum Eigengebrauch bei nachgewiesenem Bedarf oder zur Bereitstellung preisgünstiger Wohnungen erworben werden." Weiter verlangt die Initiative eine rigorose Preiskontrolle für landwirtschaftliche Grundstücke; zudem sollen Wertsteigerungen von Grundstücken infolge von raumplanerischen Massnahmen vom Kanton abgeschöpft werden - und so weiter und so fort.

Die SVP und die andern bürgerlichen Parteien, der Gewerbe- und der Hauseigentümerverband sowie weitere Organisationen warnen davor, die Verfügbarkeit über den Boden in staatliche Hände zu legen. Keine Zuteilungsbehörde (sprich "Bodenrat") könne einen gescheiteren Entscheid fällen als der freie Unternehmer. Nur wo der Unternehmerentscheid spiele, floriere die Wirtschaft mit sicheren Arbeitsplätzen und einem funktionierenden sozialen System, argumentieren die Gegner.

Zur Beseitigung der zugegebenermassen bestehenden Mängel des Bodenrechts fordert die SVP raumplanerische Massnahmen sowie die rasche Revision des bäuerlichen Bodenrechts - konkret: einen wirksamen Schutz der Landwirtschaft (bzw. des landwirtschaftlichen Kulturlandes) und eine bessere Nutzung des Baugebietes.
(Fortsetzung folgt)

Hans Fehr