Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant
1.8.2024
Wie viele andere Zeitgenossen habe ich mir in letzter Zeit oft die Frage gestellt: Wie schafft es Putin, seinen barbarischen Angriffs- und Vernichtungskrieg gegenüber weiten Teilen der russischen Bevölkerung als unausweichlich zu „rechtfertigen“? Und wie kommen gewisse Kommentatoren und Politiker auch hierzulande dazu, Putins „Friedensschalmeien“ ernst zu nehmen, obwohl seine mörderischen Gleitbomben, Raketen und Kampfdrohnen jeden Tag das Gegenteil beweisen und obwohl er – wenn er nur wollte – den Krieg sofort beenden könnte?
Neben der Tatsache, dass für Meinungsäusserungen, die vom Regime abweichen, drastische Strafen drohen, hat dieses Verhalten aber auch tiefere Ursachen. Schon im zaristischen Russland, in der Sowjetzeit – und offensichtlich bis heute – konnten sich die Herrschenden immer wieder an der Macht halten, weil sie es verstanden, dem Volk stetig Hoffnung auf eine „schöne, glückliche Zukunft“ zu machen. Um das Glück zu erreichen, müsse man sich dem Staat bzw. dem Kollektiv jedoch bedingungslos unterordnen und grosse Opfer bringen.
Interessante, detaillierte Antworten auf die obigen Fragen lieferten in der NZZ vom 26.7.2024 gleich zwei Kommentatoren – der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew und der Berliner Publizist Richard Herzinger. Laut Jerofejew gehen die vom Volk verlangten Opfer für das „kommende Glück“ so weit, dass die „ukrainischen Nazis“, welche die russische Heimat angeblich bedrohen, vernichtet werden müssen; ebenso sei zu gegebener Zeit dem dekadenten Westen der finale Todesstoss zu versetzen. Glück und Zerstörung gehören hier also eng zusammen. Herzinger warnt zudem mit Blick auf Putins „Friedensschalmeien“ vor der aktuellen Destabilisierungs- und Desinformationskampagne des Kremls. So werde die westliche Öffentlichkeit verunsichert und über die wahren Grossmachtziele Putins getäuscht.
In der Tat hört man auch hierzulande, die Ukraine müsse für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen „flexibel“ sein und die annektierten und eroberten Gebiete allenfalls preisgeben. Gerade im Land Wilhelm Tells, das zurecht auf seine Freiheit und Unabhängigkeit pocht, passt ein solches Kapitulationsgerede wie die Faust aufs Auge. Denn es ist m.E. klar: Nur wenn die Ukraine gegen die verbrecherische Aggression Putins mit westlicher Hilfe militärisch bestehen kann, ist ein gerechter, solider Frieden möglich.
Hans Fehr, Eglisau