Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission
Meine Beiträge im Jahr 201612.9.2016
Das "Tal der Tränen" im nördlichen Golan macht unserer privaten Reisegruppe beim einwöchigen Augenschein in Israel einen gewaltigen Eindruck. Auf dem Golan hat in den ersten Tagen des Jom Kippur-Krieges, als die Armeen Syriens und Ägyptens am 6. Oktober 1973, am höchsten jüdischen Feiertag, überraschend angriffen, die grösste Panzerschlacht der Geschichte (grösser als jene von Kursk im Jahr 1943) getobt. Rund 1000 syrischen Panzern standen anfänglich ganze 177 israelische gegenüber. Allein im Tal der Tränen hat ein israelisches Bataillon mit 44 Centurions über 150 syrische T-55 und T-62 aufgehalten und in einem verzweifelten Kampf weitgehend vernichtet. Bis sich das Blatt, auch an der Sinai-Front, wendete, stand Israel am Rand des Untergangs.
Im Gespräch mit Israelis betonen diese immer wieder: "Die Araber können mehre Kriege verlieren, es passiert nicht viel. Wir dagegen können uns keine einzige Niederlage leisten - sonst würde Israel von der Landkarte verschwinden. Das weiss jeder Israeli, und das beseelt uns." Israels Verteidigungsarmee IDA hat darum auch hochmoderne Waffen - wie den Panzer Merkava ("Feuerwagen"), modernste Raketenabwehrsysteme, effiziente Aufklärungssysteme und Nachrichtendienste, und bald auch das Kampfflugzeug F-35.
Szenenwechsel: Seit dem Herbst 2015 wurden in Israel und im Westjordanland rund 30 Israelis bei Terrorangriffen getötet, häufig bei Messerattacken durch palästinensische Terroristen. Und obwohl es der von der UNO finanziell massiv unterstützten palästinensischen Autonomiebehörde unter Präsident Mahmud Abbas angeblich an Mitteln für die Bildung und die Infrastruktur fehlt, unterstützt sie Terroristen und deren Familien grosszügig. Aus einem "Märtyrerfonds" fliessen gemäss der (auch von Palästinensern bestätigten) Fernseh-Sendung "Kontraste. Das Magazin aus Berlin" vom 25.8.2016 jährlich hohe Millionenbeträge an derzeit rund 35'000 palästinensische Familien. Und wie im Fall der 13-jährigen Israelin Hallel Ariel, die am 30. Juni 2016 im Schlaf von einem 17-jährigen Palästinenser aus dem Nachbardorf mit Messerstichen ermordet wurde, tanzen die Dorfbewohner nach Terroranschlägen in den Strassen, und es hängen Plakate mit dem Bild des "Märtyrers", gedruckt von der Fatah-Partei von Präsident Abbas.
Ein normales Leben
Trotz diesem Umfeld wollen die acht Millionen Israelis dennoch ein möglichst "normales" Leben führen, sogar in Sderot, einer Stadt im Grenzgebiet zum Gazastreifen, wo jedes Haus zum Schutz vor Raketen einen Bunker besitzt. Denn der Gazastreifen wird bekanntlich von den Hamas-Terroristen beherrscht, welche in den vergangenen 12 Jahren rund 15'000 Raketen gegen zivile israelische Ziele abgefeuert haben. Die Hamas platzieren ihre Raketenstellungen bewusst in Spitälern, Schulen und Kindergärten. Wenn Israel auf den Terror mit militärischen Mitteln antwortet und dabei notgedrungen auch zivile Opfer zu Schaden kommen, schreit die halbe Welt von "Menschenrechtsverletzungen". Mit etwas Bitterkeit bemerkt unsere Reiseleiterin: "Israel liefert dem Gazastreifen Öl, Wasser, Zement und andere Dinge. Zum Dank schicken sie uns Raketen, und mit dem Zement bauen sie ihre geheimen Tunnels."
Keine strategische Tiefe
Sicherheit ist in Israel, der einzigen Demokratie im Nahen und Mittleren Osten, absolut zentral. Nur mit Jordanien und Ägypten gibt es derzeit Friedensverträge. Die andern Nachbarn (unter der Fuchtel von Hamas, Hisbollah oder al Fatah) haben nach wie vor die Vernichtung Israels zum Ziel. Ein bekannter deutscher Journalist, der schon seit Jahrzehnten in Israel lebt, bezeichnet darum die sogenannte Zweistaaten-Lösung als für Israel lebensgefährlich, weil dann der "Islamische Staat" rasch den Palästinenserstaat beherrschen würde und die "Gotteskrieger direkt vor unserer Haustür" stünden. Und er bemerkt: "Die Krux liegt u.a. darin, dass ein palästinensischer bzw. arabischer Führer seinen Leuten immer einen 100-prozentigen Verhandlungserfolg versprechen muss; bei 95 Prozent gilt er als Schwächling und muss gar um sein Leben fürchten.
Israel besitzt keine strategische Tiefe; es ist an der engsten Stelle 12 Kilometer breit. Darum kommt für die meisten Israelis ein Verzicht auf den Golan und das Westjordanland nicht in Frage. Auch der umstrittene Siedlungsgürtel im Osten Jerusalems und die Siedlungen im Westjordanland sind Teil der Sicherheitsmassnahmen. Dabei ist die Behauptung falsch, die Israelis würden ihre Siedlungen auf den Hügeln bauen, um zu "dominieren"; vielmehr sind die Hügelkuppen weitgehend Niemandsland. Die Palästinenser siedeln wegen des Wassers in der Regel im Tal, während Israel heute zu 80% Meerwasser benützt, das in hochmodernen Anlagen entsalzt und zum Teil auch den Palästinensern geliefert wird.
Ist Frieden möglich?
Im Büro der "Genfer Initiative" in Ramallah, Hauptstadt des autonomen Teils der Westbank, steht auf einem grossen Wandplakat "peace is possible" (Friede ist möglich). Der gewandte Leiter des Büros beteuert, dass ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern auf der Grundlage der "Genfer Initiative" möglich sei. Diese Initiative, seinerzeit mit vielen Millionen Steuerfranken durch Bundesrätin Calmy-Rey unterstützt, bleibt aber meines Erachtens eine Illusion, weil nicht die jeweiligen Regierungen sondern in erster Linie oppositionelle Gruppierungen dahinter stehen. Auf die Frage, ob die palästinensische Autonomiebehörde bereit sei, das Existenzrecht des Staates Israel anzuerkennen, antwortet der Leiter ausweichend: "Auch die Israelis sollen in Sicherheit und Frieden leben können."
So bleibt für Israel vorläufig nur das Festhalten am Status quo, mit einer starken Verteidigungsarmee und einer hohen Wachsamkeit, um Terrorakte möglichst zu verhindern - stets in der Hoffnung, dass vielleicht in einer oder zwei Generationen eine taugliche Lösung für die Region gefunden werden kann.
Konsequenzen für die Schweiz
Obwohl die sicherheitspolitische Lage der Schweiz natürlich nicht 1:1 mit Israel verglichen werden kann, sollten wir einiges beherzigen: 1. Auch wir brauchen eine starke Verteidigungsarmee. Gegen klassische und auch "moderne" Bedrohungen (wie Terror, elektronische Kriegführung, Import von totalitären Ideologien durch Massenzuwanderung und Asylmissbrauch) genügt die "Weiterentwicklung der Armee" mit 100'000 Soldaten nicht; ich akzeptiere sie lediglich als "Sockel" für eine mittelfristige Aufstockung und Modernisierung der Armee. 2. Neben einer erhöhten Wachsamkeit von uns Bürgern und vermehrten Kontrollen der Sicherheitsorgane in Zügen, Bahnhöfen, Flughäfen, bei Grossveranstaltungen (Israel ist hier vorbildlich), braucht es am 25. September ein JA zum Nachrichtendienstgesetz. Es erlaubt den Behörden beim Verdacht von Terrorvorbereitungen und dergleichen, Telefone abzuhören und in Computersysteme einzudringen. 3. Die Massenzuwanderung ist gemäss dem Volksentscheid vom 9.2.2014 markant zu reduzieren, und illegale Zuwanderer müssen an der Grenze zurückgewiesen werden (Israel verfolgt eine konsequente Asylpolitik). 4. Der unbedingte Wille, für sein Land, notfalls mit seinem Leben, einzustehen und das Beste zu leisten, kommt bei Gesprächen mit Israelis immer wieder zum Ausdruck. Fazit: Wir können in verschiedenen Bereichen, zum Teil in "helvetisierter" Form, einiges von Israel lernen. Und überhaupt: Sollte man von einem Land, in dem man an vielen Orten den Eindruck hat, Christus könnte einem jeden Moment begegnen, nicht ohnehin etwas lernen?