Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau
Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015
Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission
Meine Beiträge im Jahr 201612.8.2016
In der Literatur werden jene als "Kleinmeister" bezeichnet, die nicht zu einer Gesamtschau der Dinge fähig sind. Sie können zwar "eindimensional" Ereignisse aneinanderreihen und zum Beispiel ihre Lebensgeschichte erzählen. Für eine (gesellschaftliche, politische, kulturelle, wirtschaftliche) Gesamtschau "reicht es" jedoch nicht. Ein Kleinmeister war beispielsweise Ulrich Bräker, der "arme Mann im Tockenburg", dessen Lebensgeschichte zwar interessante Einblicke in den Alltag des 18. Jahrhunderts ermöglicht, der aber eben nicht zu einer Gesamtschau in der Lage war. Das ist keine Herabminderung, sondern eine Feststellung, denn der tägliche Kampf um die Existenz liess damals für "Höhenflüge" keine Zeit.
Kleinmeisterei in Politik und Verwaltung
Die Kleinmeisterei ist heute auch in der Politik und in der Verwaltung weit verbreitet. Dazu einige Beispiele:
1. Frau Sommaruga bezeichnet Eritrea als "Folter- und Unrechtsregime" und rechtfertigt so die Aufnahme tausender junger Eritreer, die ein besseres Leben suchen. Sie übernimmt damit das negative Urteil einer UNO-Kommission über die Menschenrechtslage in Eritrea - ohne dass ein Mitglied der Kommission vor Ort war. Der Bericht stützt sich nur auf Befragungen von Asylsuchenden, die möglichst schlimme Geschichten erzählen, um ihre "Flüchtlingseigenschaft" zu rechtfertigen. Von anders lautenden Berichten will Frau Sommaruga nichts wissen, weil sie nicht ins eindimensionale Konzept der "Gutmenschen-Bundesrätin" passen. Mit ihrer zusätzlichen Botschaft "Wir werden niemanden in eine Diktatur zurückschicken", wird unser Land für illegale Zuwanderer und Schlepper definitiv zum Asylparadies. Die Konsequenz: Die Asylindustrie und die Kosten explodieren, die Gemeinden müssen die Suppe auslöffeln, die Kriminalität wächst.
Kleinmeisterei kann gravierende Folgen haben.
2. Aussenminister Burkhalter und gleichgesinnte Kreise wollen unser Land schleichend in die EU führen. Dies mit einem institutionellen Rahmenvertrag, über den wir voraussichtlich im Jahr 2017 abstimmen werden. Mit diesem Vertrag müssten wir alles bisherige und künftige EU-Recht in den bilateral geregelten Bereichen automatisch übernehmen und uns dem EU-Gerichtshof unterstellen. Weil auch der Bundesrat weiss, dass das Schweizer Volk einer Einbindung in die EU nicht zustimmen würde, greift er zu Täuschungsmanövern: Statt von der automatischen Übernahme von EU-Recht spricht er von der "Erneuerung des bilateralen Weges". Und der EU-Gerichtshof gibt laut Burkhalter nur "Empfehlungen" ab.
Der eindimensionale kleinmeisterliche Drang, in Brüssel "dabei zu sein" und auf den internationalen Bühnen mitzureden, kann nur mit einem Nein zum Rahmenvertrag gestoppt werden. Nur eine souveräne und direktdemokratische Schweiz hat Zukunft.
3. In Bundesbern hat es zu viele Kleinmeister, die "eindimensional" ihren persönlichen Interessen und gut bezahlten Mandaten nacheilen, ihr Ego pflegen und wenig zum Nutzen unseres Landes leisten. Etliche Parlamentarier können auch problemlos mit Widersprüchen leben, wenn es um persönliche Vorteile geht: Zum Beispiel jene, die gegen sämtliche Militärkredite stimmen, gleichzeitig aber bei jeder Gelegenheit Helikopterflüge beanspruchen, an jeder Auslandreise teilnehmen und sich dafür finanziell grosszügig entschädigen lassen. Überhaupt sind bezahlte "Informationsreisen" ins Ausland, Wahlbeobachtungen, Reisen zur "Swisscoy" in Kosovo und dergleichen sind hoch im Kurs. Im Gegensatz zu früher, als beispielsweise SP-Nationalrat Andreas Gross als "Spesenmillionär" öffentlich kritisiert wurde, werden die individuellen Kosten heute aus "Datenschutzgründen" verheimlicht.
4. Wegen eines gefährlichen, unübersichtlichen Strassenabschnitts in meiner Heimatgemeinde Berg am Irchel/ZH, der von vielen Reitern, Bikern, Wanderern und landwirtschaftlichen Fahrzeugen überquert werden muss, habe ich mit direkt Betroffenen ein Gesuch für eine 60 km-Limite an die Polizei gestellt. Denn die jetzt zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h ist viel zu hoch. Nur um Haaresbreite und mit viel Glück ist es bisher noch nicht zu schweren Unfällen gekommen.
Der Gemeinderat hat das Gesuch unterstützt. Die verkehrstechnische Abteilung der Kantonspolizei lehnt es jedoch ab mit der "Begründung", das Verkehrsaufkommen und die effektive Unfallhäufigkeit seien "gering" bzw. "unauffällig". Stattdessen wolle man ein Schild "Andere Gefahren" (Dreieck mit Ausrufezeichen) aufstellen. Die eindimensionale Sicht des verkehrspolizeilichen Amtsschimmels ("80 km/h ist heilig") ist fahrlässig. Wir werden weiter kämpfen, denn Kleinmeisterei von Verkehrsbürokraten kann tödlich sein.
Sympathisch, aber nur im Witz
Abschliessend eine kleine Geschichte, welche die eindimensionale Kleinmeisterei auf die Spitze treibt.
Schauplatz: eine internationale Konferenz. Anwesend sind Staatsmänner und Diplomaten, darunter der ehemalige Aussenminister Hans Dietrich Genscher und auch ein Schweizer Bundesrat. Am Abend an der Bar wendet sich ein Diplomat an Genscher: "Herr Bundesaussenminister, darf ich Ihnen eine Testfrage stellen?" "Ja klar", erwidert dieser. "Also, was ist das? Es stammt von Ihrem Vater und von Ihrer Mutter, es ist aber nicht Ihr Bruder und auch nicht Ihre Schwester." Genscher, wie aus der Pistole geschossen, ruft: "Das ist ja klar, das bin ich!" Grosser Applaus. Der Schweizer Bundesrat ist tief beeindruckt. Zurück in Bern machte er mit einem Kollegen den gleichen Test und fragt: "Was isch das? Es stammt vo dim Vatter und vo dinere Mueter, es isch aber nid din Brüeder und au nid dini Schwöschter." Der Bundesratskollege überlegt und überlegt, beginnt zu schwitzen, bekommt vor Anstrengung einen roten Kopf und sagt schliesslich nach langen Minuten: "Du, es tuet mir leid, ich find's eifach nid use." Da meint der andere: "Muesch di nid schäme, ich wär au nid druf cho, es isch schampar schwierig. Es isch nämlich de Genscher."
Kleinmeisterei kann mitunter sogar sympathisch sein. Aber nur im Witz.