Hans Fehr, Salomon Landolt-Weg 34, 8193 Eglisau



Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Strapazierte Neutralität

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission

Meine Beiträge im Jahr 2016/17

19.2.2017

Rund 90 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer stehen laut Umfragen zu unserer Neutralität. Sie sind der Überzeugung, dass dieses bewährte Sicherheits- und Friedensinstrument für unser Land von grosser Bedeutung ist. Dennoch wollte die sogenannte Elite unsere immerwährende, bewaffnete und integrale (umfassende) Neutralität In der Friedenseuphorie der frühen 90er Jahre "sanft einschlafen" lassen oder "auf den Kerngehalt beschränken". In diesem Sinne wurde auch die Umformung unserer Milizarmee zur NATO-Marionette vorangetrieben, um sie bei Auslandeinsätzen in NATO-Verbände eingliedern zu können.

Ab 1996 wurde die "NATO-Partnerschaft für den Frieden" durch Bundesrat Ogi forciert. Im VBS und in den höheren Stäben folgte eine eigentliche "Natoisierung": Es wurden NATO-Führungsbehelfe abgeschrieben, in den Kommandoposten (operation centers) dominierten NATO-englische Fachausdrücke, die ordre de bataille (Truppengliederung) und die Rangstufen wurden nach NATO-Muster umgestaltet und auf NATO getrimmt. 1999 schickte man die Swisscoy zur sogenannten "Friedensförderung" unter NATO-Oberkommando in den Kosovo, wo sie nach fast 18 Jahren immer noch ist und jährlich 50 Millionen Franken für einen Alibi-Auftrag verschlingt.

WEA nur als Sockel tauglich

Die Armee hat sich von diesem Irrweg und einer Unzahl von Reformen bis heute nicht erholt. Die sogenannte Weiterentwicklung der Armee (WEA) mit 100'000 Mann und fünf Milliarden Franken pro Jahr kann den verfassungsmässigen Schutz- und Verteidigungsauftrag im Rahmen der bewaffneten Neutralität nicht erfüllen. Dies weder unterhalb der Kriegsschwelle (wenn beispielsweise bei Terrorgefahr Flughäfen, Bahnhöfe, Kraftwerke, Schaltzentralen und dergleichen über längere Zeit bewacht werden müssen) und schon gar nicht oberhalb der Kriegsschwelle, im Verteidigungsfall. Dafür reichen diese Kräfte nicht. Die WEA kann meines Erachtens nur als Sockel für einen künftigen Armee-Ausbau akzeptiert werden.

Zunehmende Bedeutung oder Zwangsjacke?

Im Zeitalter von Terroranschlägen vorab durch islamistische Fanatiker, in Zeiten einer bedrohlichen Massenzuwanderung (zum Teil von Leuten unklarer Identität) sowie bürgerkriegsähnlicher Konflikte und kriegerischer Auseinandersetzungen nicht allzu weit vor unserer Haustür, hat unsere Neutralität noch an Bedeutung gewonnen. Glaubwürdige Neutralität mindert das Risiko, dass wir zur Zielscheibe von Terroranschlägen werden. Glaubwürdige Neutralität stärkt unser Land als Plattform für Friedensdiplomatie und humanitäre Einsätze. .

Dennoch ist die schweizerische Neutralität für die sogenannte Elite nach wie vor eine lästige Zwangsjacke, weil sie ihrem grössenwahnsinnigen Drang nach Auftritten auf der internationalen Bühne enge Grenzen setzt. Vor allem Bundesrat Burkhalter ist ein "Vorkämpfer wider die Neutralität" - insbesondere durch sein Bestreben, unser Land mit dem sogenannten Rahmenvertrag in die EU einzubinden.

Internationale Karriere als Motiv?

Auch mit seinen kürzlichen Schuldzuweisungen gegenüber Israel betätigt sich Burkhalter einmal mehr als Totengräber unserer Neutralität. Statt sich in diesem heiklen Bereich eine strikte Zurückhaltung aufzuerlegen, stimmt er "im Namen der offiziellen Schweiz" in den Chor jener Staaten ein, die Israel einseitig verurteilen und die Tatsache ausklammern, dass die Palästinenser den Staat Israel nach wie vor nicht anerkennen und dass beispielsweise die Hamas immer wieder Raketen gegen zivile israelische Ziele abfeuert und Selbstmordattentäter nach Israel schickt. Ebenso blendet er aus, dass sowohl der ehemalige Präsident Jassir Arafat als auch sein Nachfolger Mahmud Abbas sämtliche Friedensangebote Israels, inklusive Zweistaatenlösung, abgelehnt haben.

Bundesrat Burkhalters Motiv liegt meines Erachtens auf der Hand: Um einen prestigeträchtigen Posten auf der internationalen Bühne, insbesondere im Rahmen der UNO, zu bekommen, braucht er möglichst viele Stimmen aus der muslimisch-antiisraelischen Welt - schweizerische Neutralität hin oder her. Auch für eine Spitzenfunktion im Rahmen der EU oder des Europarates kann ein möglichst umspannendes Netzwerk nur förderlich sein.

Auch wenn es vielleicht nicht in die Burkhaltersche Karriereplanung passt: Nachdem wir bereits Mitglied der politischen Uno sind, deren Menschenrechtsrat ebenfalls in erster Linie Israel verurteilt, muss wenigstens verhindert werden, dass wir auch noch dem UNO-Sicherheitsrat beitreten, wie das Herr Burkhalter und die Mehrheit des Bundesrates anstreben. Denn dort müsste die Schweiz über Krieg und Frieden mitentscheiden, und unsere Neutralität würde endgültig begraben.