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Hans Fehr | Nationalrat von 1995-2015



Faktenresistenz und/oder Inkompetenz?

Von Hans Fehr, Nationalrat von 1995-2015, in dieser Eigenschaft Mitglied der Staatspolitischen sowie der Sicherheitspolitischen Kommission, Oberstleutnant

Meine Beiträge

27.1.2018

Kürzlich hat sich die SP Schweiz an einer Klausurtagung mit der Armee und der Sicherheitspolitik befasst. Man singt einmal mehr das Loblied auf die "internationale Kooperation" und wiederholt - leicht verklausuliert - dass man die Armee abschaffen will.

Was dabei auffällt, ist immer wieder die verbreitete Faktenresistenz und Inkompetenz rot-grüner "Sicherheitspolitiker" (oder eher Unsicherheitspolitiker). Ich sage nicht, dass man 1000 und mehr Militärdiensttage geleistet haben muss, um in sicherheitspolitischen Fragen mitentscheiden zu können. Als Bundesparlamentarier, insbesondere als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, sollte man aber wenigstens über einige militärische und sicherheitspolitische Grundkenntnisse verfügen.

Nachfolgend drei Beispiele rot-grüner Faktenresistenz in den Bereichen Armeereform, Luftwaffe und Zivildienst.

Armeereform

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die "Weiterentwickelte Armee" (WEA) mit ihren 100'000 Armeeangehörigen ist nicht in der Lage, unser Land und seine Bevölkerung zu schützen und zu verteidigen. Dies weder unterhalb der Kriegsschwelle (wenn beispielsweise bei Terrorbedrohung viele öffentliche Einrichtungen über längere Zeit bewacht werden müssen) noch oberhalb der Kriegsschwelle, also im Verteidigungskampf. Allein für die Verteidigung der Stadt Basel musste vor einigen Monaten im Rahmen einer grossangelegten Übung eine ganze Panzerbrigade eingesetzt werden - und wir haben gemäss WEA bekanntlich nur deren zwei.

Das hindert aber die rot-grünen "Sicherheitspolitiker" nicht daran, eine weitere Reduktion der Armee und der finanziellen Mittel zu fordern. Man schwärmt gebetsmühlenartig von einer kleinen Berufsarmee, weil man diese natürlich besser für Auslandseinsätze gebrauchen kann als eine Milizarmee.

Vor einiger Zeit hat sich vor allem die linke Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé samt Genossen für die sogenannte "freiwillige Miliz" stark gemacht - ein Widerspruch in sich selbst. Denn unsere Milizarmee - der Bürger als Soldat - ist untrennbar verbunden mit der allgemeinen Wehrpflicht; sonst hätten wir bald eine Armee ohne Soldaten oder eine Armee von Rambos. Ebenso fordert das rot-grüne Lager einen Luftpolizeidienst rund um die Uhr, lehnt aber die nötigen Armeekredite regelmässig ab, sei es aus Inkompetenz oder als Etappe zur Armeeabschaffung. Dennoch lassen sich vor allem die rot-grünen "Sicherheitspolitiker" bei jeder Gelegenheit mit Armeehelikoptern im Land herumfliegen - mit Mitteln einer Armee, die sie eigentlich abschaffen wollen.

F/A-18 bis zum St. Nimmerleinstag?

Ein beliebtes Objekt rot-grüner Faktenresistenz ist auch die Luftwaffe , sofern die 30 F/A-18 Kampfflugzeuge diese Bezeichnung noch verdienen. Nachdem der schwedische Gripen 2014 wegen des nicht geschlossenen bürgerlichen Lagers in der Volksabstimmung gescheitert ist, liegt es auf der Hand, dass wir für einen glaubwürdigen Luftschirm - neben einer modernen, bodengestützten Luftabwehr - sehr bald wieder ein modernes Kampfflugzeug brauchen.

Um genau das zu verhindern, schwadroniert Rot-Grün von einer Modernisierung der F/A-18, obwohl deren Lebensdauer trotz teurer Nachrüstung um 2030 zu Ende geht. Die grüne Genfer "Sicherheitspolitikerin" Liza Mazzone will sogar nur 12 Flugzeuge nachrüsten, weil das - welch weise Erkenntnis - billiger sei. Und Carlo Sommaruga (SP/GE) möchte die Flugzeugbeschaffung aus finanziellen Gründen bis zum St. Nimmerleinstag "nach hinten verschieben".

Bei derartigen Manövern ist grösste Vorsicht am Platz, denn die Halbwertszeit rot-grüner Militärentscheide ist bedenklich kurz: Fast immer überwiegt schlussendlich ein links-ideologisches, faktenresistentes Nein. So hat beispielsweise die erwähnte SP-Sicherheitsfachfrau Galladé im Vorfeld der Gripen-Abstimmung eine Nachrüstung der F/A-18 - damals als Alternative zum Gripen - noch abgelehnt. Ebenso blendet das rot-grüne Lager beharrlich aus, dass die Militärausgaben von 1990-2016 um 20 Prozent gesunken sind.

Ausgabenentwicklung 1990 - 2016
in den wichtigsten Aufgabenbereichen des Bundes
Soziale Wohlfahrt
(v.a. AHV, IV, Prämienverbilligung)
plus 230 Prozent
Verkehr (Schiene und Strasse) plus 100 Prozent
Bildung und Forschung plus 145 Prozent
Landesverteidigung minus 20 Prozent
Landwirtschaft plus 45 Prozent
Beziehungen zum Ausland
(Entwicklungshilfe, Diplomatie)
plus 130 Prozent
(Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung)

Zivildienst: Freie Wahl bis zum Geht-nicht-mehr?

Obwohl sogar der tiefe Armeebestand von 100'000 Mann mehr und mehr gefährdet ist, weil die jungen Männer heute die Wahlfreiheit haben zwischen der (verfassungsmässigen) allgemeinen Wehrpflicht und dem Zivildienst , wollen die rot-grünen "Sicherheitspolitiker" den Zivildienst noch mehr ausweiten. Es ist ihnen egal, dass die "weiterentwickelte" Armee ihren Kernauftrag gemäss Artikel 58 der Bundesverfassung ("Die Armee dient der Kriegsverhinderung; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung") schon heute nicht mehr erfüllen kann.

Nur schon die 100'000er Armee braucht jährlich mindestens 18'000 Rekruten. Dass die Zahl der neuen Zivildienstler von 1'632 im Jahre 2008 auf 6'169 im Jahre 2016 explodiert ist - dass sie 2017 auf rund 7'000 zunimmt und künftig noch weiter ansteigen wird - kümmert die sogenannten Sicherheitspolitiker keinen Deut. Im Gegenteil: Die Armeedezimierung schreitet für sie "erfreulich rasch" voran.

Auch wenn es den Rot-Grünen und einigen pseudobürgerlichen Mitläufern nicht passt: Anstelle der heutigen Wahlfreiheit sind wieder taugliche Hürden für den Zivildienst einzubauen, damit die Wehrgerechtigkeit wieder hergestellt werden kann. Zudem kann und muss der Militärdienst, der bekanntlich dazu dient, unser Land und unsere Bevölkerung notfalls unter Einsatz des eigenen Lebens zu schützen und zu verteidigen, "attraktiver" gemacht werden. Dies, indem den jungen Leuten der Sinn unserer Milizarmee besser vermittelt wird und indem im Militärdienst vermehrt interessante, anspruchsvolle und realitätsnahe Übungen durchgeführt und eindrückliche Gemeinschaftserlebnisse geschaffen werden. Bei Begegnungen mit ehemaligen Soldaten erzählen mir diese immer wieder von mehrtägigen anspruchsvollen Übungen wie "snow lion" (Schneelöwe), von Wettbewerbsschiessen mit den schweren Waffen und von Inspektionen, die wir gemeinsam gemeistert haben.

Fazit: Die verbreitete Faktenresistenz vieler linker Politiker in Militär- und Sicherheitsfragen lässt sich wohl - weil auch ideologisch bedingt - kaum nachhaltig "beheben". Umso dringender ist eine bessere Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien, Verbände und Organisationen in diesem für unser Land existenziellen Bereich.